Marco Polo der Besessene 2
beiden, und sie war froh, daß wir das nicht öffentlich mit hohlklingenden Phrasen hinaus-zutönen brauchten.
Einmal, als das Thema zur Sprache kam, riet Kubilai mir: »Marco, zerbrecht den Teller nicht. Solange Ihr Euch noch keine Erste Gemahlin zugelegt habt, werdet Ihr jeden Mann, mit dem Ihr es in Sachen des Handels oder sonstiger Verhandlungen zu tun habt, nachgiebig und versöhnlich finden. Er wird sich um Eure gute Meinung bemühen und sich Eurem Glück nicht hinderlich in den Weg stellen, denn insgeheim nährt er die Hoffnung, seine Tochter oder Nichte zu Eurer Ersten Gemahlin und zur Mutter Eures Haupterben zu machen.« Dieser Rat nun hätte geeignet sein können, sofort das Gegenteil zu tun und den Teller mit Hui-sheng zu brechen, denn nichts wies ich weiter von mir als die Zumutung, mein Leben den Geboten »guter Geschäfte« unterzuordnen. Nur war es Hui-sheng, die mich darauf hinwies, daß sie als meine Gattin in der Tat gezwungen wäre, sich an manche Traditionen zu halten -zumindest diejenigen, die weibliche Unterordnung betrafen -und so werde sie zum Beispiel nicht mehr neben mir reiten dürfen (falls sie überhaupt irgendwohin mit dürfe), wäre gezwungen, in einer geschlossenen Sänfte zu reisen, und könne mir dann nicht mehr bei meinen Arbeitsgesprächen mit anderen Männern behilflich sein, und außerdem verbiete die Tradition ihr…
»Genug, genug!« sagte ich und lachte über die Erregung, in die sie geriet. Ich fing ihren eindringlich erhobenen Finger und versprach, nichts, aber auch gar nichts könne mich bewegen, sie jemals zu heiraten.
So blieben wir einfach ein Liebespaar, und vielleicht ist das ja auch die beste Art von Ehe, die es gibt. Ich behandelte sie nicht als Ehefrau und damit als unter mir Stehende, sondern gewährte ihr -und bestand darauf, daß auch alle anderen das taten -volle Gleichheit mit mir. (Das ist vielleicht gar nicht so freizügig, wie es sich anhört, denn ich erkannte in vielem ihre Überlegenheit an, und vielleicht taten das manche feinfühligen anderen auch.) Und doch behandelte ich sie wie eine Ehefrau, und zwar eine hochadelige Gattin, denn ich beschenkte sie reich mit Schmuck aus Jade und Elfenbein und den wunderbarsten und alle ihre Reize besonders unterstreichenden Gewändern und für ihren persönlichen Gebrauch mit einer herrlichen Schimmelstute, einer von des Khans eigenen »Drachen-Zeltern«. Nur auf etwas bestand ich wie ein Ehemann und machte es zur Regel für sie: daß sie ihre Schönheit nie, wie das in Khanbalik üblich war, hinter Schönheitsmitteln versteckte. Dem fügte sie sich, und so wurde ihre Pfirsichblütenhaut nie unter einer dicken Schicht weißen Reispuders versteckt, ihre rosefarbenen Lippen nie mit irgendwelcher grellen Farbe zugedeckt oder nachgezogen und ihre flaumfeinen Brauen nie kahlgezupft. Damit trotzte sie jedem Gebot der Mode, doch machte sie das so strahlend und bezaubernd schön, daß alle Frauen die Mode und ihre sklavische Abhängigkeit davon verfluchten. Ich gestattete Hui-shen, sich zu frisieren, wie sie wollte, denn sie tat es nie anders, als ich es leiden mochte, und ich kaufte ihr edelsteinbesetzte Kämme und Haarspangen dafür.
Kleinodien aus Gold und Jade und dergleichen besaß sie schließlich in solcher Fülle, daß selbst eine Kahtun sie darum hätte beneiden können, doch ein Schmuckstück hütete sie wie ihren Augapfel, denn es bedeutete ihr mehr als alles andere. Mir erging es darin nicht anders, obwohl ich oft so tat, als hielte ich es für Schuld und dränge sie, es fortzuwerfen. Dabei handelte es sich um etwas, das nicht ich ihr geschenkt hatte, sondern um eines von den rührend wenigen Besitztümern, die sie mitgebracht hatte, als sie zu mir kam: den schlichten und wenig eleganten Weihrauchbrenner aus weißem Porzellan. Diesen trug sie liebevoll überallhin, wo auch wir hinreisten, und nahm ihn mit, gleichgültig, ob wir in einen Palast oder eine karwansarai, eine yurtu oder ein Feldlager einzogen. Stets sorgte Hui-sheng dafür, daß der süße Duft warmen Klees nach einem sanften Regen alle unsere Nächte durchzog.
Alle unsere Nächte…
Wir waren nur ein Liebespaar, nie ein richtig getrautes Ehepaar. Trotzdem trete ich hier dafür ein, daß der Bereich unseres Betts so unverletzlich ist wie bei einem Ehepaar, und ich weigere mich, im einzelnen zu sagen, was sie und ich darin taten. In der Erinnerung an so manche andere intime Beziehung habe ich mich rückhaltloser Offenheit befleißigt; doch was
Weitere Kostenlose Bücher