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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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dorther zurückgekommen, wo immer das gewesen sein mag, denn das Tagebuch gibt es.«
    »Hui! Einundzwanzigtausend li! Nun, das ist von hier Überland bis nach Venedig und wieder zurück.« Mir kam ein Einfall, der mir ebenso aufregend wie verführerisch vorkam. »Wenn es so weit draußen im Osten Land gegeben hat, dann muß das mein eigener Erdteil, Europa, gewesen sein. Der Erdteil, zu dem Kithai und Manzi gehören, muß dann hinter unserem eigenen Atlantischen Ozean liegen! Sagt an, Magistrat, hat der Mönch Städte auf der anderen Seite genannt? Lisboa? Bordeaux?«
    »Städte nicht. Er nannte das Land Fu-sang, was nichts mehr bedeutet als ›Ort, wohin wir getrieben wurden‹. Die Eingeborenen, berichtet er, ähnelten eher den Mongolen oder Bho als den Han, wären jedoch noch barbarischer und sprächen eine merkwürdige Sprache.«
    »Dann muß es Iberien gewesen sein… oder Marokko…«, sagte ich nachdenklich. »Allerdings damals schon voll von muslimischen Mohren, wie ich meine. Hat der Mönch noch irgend etwas über dieses Land verlauten lassen?«
    »Nur sehr wenig. Die Eingeborenen verhielten sich feindselig, so daß die Seeleute die chuan nur unter Gefahren und Mühen neu mit Wasser und Proviant füllen konnten. Dann haben sie gemacht, daß sie so schnell wie möglich wieder zurücksegeln konnten in den Westen. Das einzige, was Hui-chen sonst noch beeindruckt zu haben scheint, ist wohl die Vegetation. Die Bäume von Fu-sang beschrieb er als sehr eigenartig. Er sagte, nicht aus Holz und belaubten Zweigen bestünden sie, sondern aus grünem Fleisch und tückischen Dornen.« Fung setzte ein Gesicht auf, das amüsierten Unglauben bekundete. »Aber das hat nicht viel zu bedeuten; denn ich glaube, die frommen Männer sehen überall Fleisch und Dornen, wohin sie auch blicken.«
    »Hm, ich weiß nicht, was für Bäume in Iberien oder Marokko wachsen«, murmelte ich, außerstande, von meinen spekulativen Gedanken Abschied zu nehmen. »Doch allein die Vorstellung, daß es möglich sein könnte, von hier aus in meine Heimat zu segeln, hat etwas Erschreckendes und Ehrfurchterregendes zugleich.«
    »Ihr tut gut daran, es gar nicht erst zu versuchen«, sagte Fung gleichmutig. »Seit Hui-cheng sind nicht viele Menschen draußen auf dem freien Meer in einen tai-feng geraten und haben das überlebt. Dieser Sturm tritt zwischen hier und den Jihpen-kwe-Inseln ziemlich häufig auf. Khan Kubilai hat jetzt zweimal versucht, in jenes Reich einzufallen und es zu erobern; er hat ganze chuan-Flotten voller Krieger dorthin ausgesandt. Beim ersten Mal zuwenig, so daß die Zwerge sie zurückwarfen ins Meer. Doch letztesmal hat er Hunderte von Schiffen und nahezu ein vollständiges tuk Krieger hinübergeschickt. Doch ein tai-feng zog auf und hat die Flotte zerschlagen. Damit schlug auch diese Invasion fehl. Wie ich höre, sind die Zwerge dem Sturm dankbar und haben den tai-feng in kamikaze umbenannt, was in ihrer sonderbaren Sprache soviel bedeutet wie ›Göttlicher Wind‹.«
    »Trotzdem«, sagte ich, immer noch sinnend, »wenn dieser Sturm nur zwischen der Küste von Manzi und Jihpen-kwe rast, dann -falls Kubilai diese Inseln jemals einnimmt -könnte man vielleicht von dort aus sicher weiter nach Osten segeln…«
    Doch Kubilai unternahm nie wieder einen Eroberungszug dieser Art und bezwang auch diese Inseln nie; so kam auch ich nie dorthin, ja, überhaupt nicht weiter nach Osten. Ich habe das Kithai-Meer mehrere Male befahren, doch nur selten außer Sichtweite des Festlandes. Deshalb weiß ich nicht, ob dieses ferne Fu-sang, wie ich vermutete, die Westküste Europas war, soweit wir es kannten, oder ob es sich um noch ein Land handelte, das bis jetzt unentdeckt geblieben ist. Ich bedaure, in dieser Beziehung meine Neugier nie befriedigt zu haben. Ich wäre liebend gern hingefahren und hätte mir dies Land angesehen, doch habe ich es nie getan.
    4
     
    Hui-sheng, ich, der Magistrat Fung und unsere Diener stiegen von der Anlegestelle des Palastes in eine n reichgeschnitzten san-pan aus Teakholz und nahmen unter einem seidenen Baldachin Platz, der so geschmückt und geschwungen war wie jedes Dach der Han. Ein Dutzend Ruderer, bis zur Hüfte nackt und die Oberkörper eingeölt, so daß sie im Mondlicht glänzten, ruderte uns gewundene Kanäle entlang bis zu unserer neuen Wohnung, und unterwegs wies Fung uns auf manches hin, das der Aufmerksamkeit wert war.
    Er sagte: »Die kurze Gasse, die ihr zu unserer Linken abgehen seht, ist die Gasse

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