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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Hui-shengs Oberaufsicht zu überlassen. Wie schon zuvor mit der mongolischen Dienerin, die mit uns gekommen war, schien es ihr leichtzufallen, auch mit den neuen Han-Dienern und Dienerinnen eine kaum wahrnehmbare Form der Verständigung zu finden, und im allgemeinen klappte das wunderbar. Ich war kein so guter Herr wie sie eine gute Herrin. Zum einen konnte ich genausowenig Han reden wie sie. Zum anderen war ich es nun seit geraumer Zeit gewohnt, mongolische Diener oder solche Diener zu haben, die von Mongolen angelernt worden waren. Das Personal hier in Manzi war aber ganz anders.
    Ich könnte eine ganze Liste von Unterschieden aufzählen, möchte aber nur zwei erwähnen. Der eine bestand darin, daß aufgrund der Ehrfurcht, welche die Han für alles Alte haben, ein Diener nicht einfach entlassen oder in Pension geschickt wird, bloß weil er oder sie alt, nutzlos, senil oder gar bewegungsunfähig wurde. Und da Diener, je älter sie wurden, auch desto eigenwilliger, verschlagener und unverschämter wurden, konnte man sie deshalb doch nicht entlassen oder auch nur prügeln. Bei einer unserer Dienerinnen handelte es sich um eine alte Frau, die nichts anderes zu tun hatte, als jeden Morgen, nachdem wir aufgestanden waren, unser Schlafgemach aufzuräumen und in Ordnung zu bringen. Jedesmal, wenn sie an mir oder Hui-sheng oder auch nur an den Bettlaken den Duft von Zitronen wahrnahm, gackerte und wieherte sie höchst abscheulich, doch mir blieb nichts anderes übrig, als mit den Zähnen zu knirschen und es zu ertragen.
    Der andere Unterschied hatte von allen unwahrscheinlichen Gründen mit dem Wetter zu tun. Mongolen sind dem Wetter gegenüber gleichgültig; sie konnten ihrer Beschäftigung im Sonnenschein, Regen und Schnee nachgehen -vermutlich sogar im Chaos eines tai-feng, falls sie jemals in einen solchen hineingeraten sollten. Ich selbst war nach all meinen Reisen Kälte oder Hitze, Trockenheit oder Feuchtigkeit gegenüber genauso unempfindlich wie ein Mongole. Doch obwohl die Han in Manzi sich bei jeder Gelegenheit badeten, hatten sie doch eine katzenähnliche Abneigung gegen den Regen. Regnete es, wurde nichts getan, das es erforderlich machte, das Haus zu verlassen - womit ich nicht meinte, nur von der Dienerschaft nicht, sondern von keinem Menschen.
    Agayachis Minister wohnten meistens im selben Palast wie er auch, doch diejenigen, die woanders eine Wohnung hatten, blieben bei Regen einfach zuhause. Auf den Marktplätzen der Stadt fand man an Regentagen weder Käufer noch Verkäufer. Nicht anders war es auch in der überdachten Markthalle, denn schließlich hätten die Menschen durch den Regen gehen müssen, um dorthin zu gelangen. Wiewohl ich mich bewegte wie immer, mußte ich das zu Fuß tun. Bei Regen fand man keine Sänfte, ja, nicht einmal ein Kanalboot. Obwohl die Ruderer ihr Leben auf dem Wasser verbrachten und die meiste Zeit über von Wasser vollgesogen waren -in Wasser, das vom Himmel herunterfiel, wagten sie sich nicht hinaus. Nicht einmal die männlichen Prostituierten flanierten bei Regen auf den Straßen.
    Selbst mein sogenannter Adjutant, der Magistrat Fung, leistete sich dieselbe ausgefallene Verhaltensweise. An Regentagen kam er einfach nicht durch die Stadt in mein Haus und ließ sich auch bei den Gerichtssitzungen im cheng, die er selbst angesetzt hatte, dann nicht blicken. »Wozu sich die Mühe machen, erst hinzugehen? Die streitenden Parteien wären ohnehin nicht da.«Er bekundete Verständnis über meinen Ärger wegen der vielen vertanen Regentage und zeigte sich sogar leicht amüsiert über diese Eigenheit. Einmal, als ich ihn des Regens wegen eine ganze Woche nicht zu Gesicht bekommen hatte und unwirsch meinem Unmut Luft machte, indem ich sagte: »Wie soll ich denn jemals etwas schaffen, wenn ich nur einen Gut-Wetter-Adjutanten habe?« setzte er sich hin, holte Papier und Pinsel und Tintenstein heraus und schrieb ein Han-Schriftzeichen für mich.
    »Dieses Zeichen heißt: ›eine dringende Angelegenheit, die noch nicht in Angriff genommen worden ist‹«, erklärte er mir. »Aber schaut: Es setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Dies eine hier bedeutet ›zum Erliegen gebracht‹ und dies hier: ›durch Regen‹. Ganz offensichtlich muß ein Zug, der Eingang in unsere Schrift gefunden hat, auch in unseren Seelen tief verwurzelt sein.«
    Doch an milden Tagen saßen wir in meinem Garten und unterhielten uns eingehend und ausführlich über meine Aufgabe und über seine Aufgabe als

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