Marco Polo der Besessene 2
und vollführte eine Geste, die soviel bedeutete wie: »Zu schade!«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Ich habe auf Nummer drei gesetzt, aber Nummer zwei hat gewonnen, und so bin ich meine Bohne los. - Es bricht mir das Herz!«
Sie schob alle Bohnen zusammen und tat sie zurück in das Säckchen. Dann nahm sie eine wieder heraus und legte diese betont für mich auf eine Zahl - diesmal die Nummer vier. Schon wollte sie wieder in das Säckchen hineingreifen, da hielt sie inne und gab mir zu verstehen, ich sollte das tun. Ich verstand: Das Spiel war völlig fair, die zu zählenden Bohnen wurden aufs Geratewohl herausgeholt. Ich nahm eine ganze Handvoll heraus und streute sie neben sie auf den Boden. Rasch schnippte sie sie wieder auf die Seite, immer vier zusammen auf einen Haufen; diesmal wollte der Zufall es, daß mit Ausnahme der Bohne, die ich gesetzt hatte, alle glatt durch vier zu teilen waren. Am Ende blieb keine übrig.
»Aha«, sagte ich. »Das bedeutet, daß Nummer vier gewonnen hat. Und was habe ich gewonnen?«
Sie hielt vier Finger in die Höhe und zeigte auf meinen Einsatz, fügte drei Bohnen hinzu und schob alle mir zu.
»Wenn ich verliere, verliere ich meine Bohne. Gewinnt die Zahl, auf die ich gesetzt habe, bekomme ich meine Bohne vierfach zurück.« Ich setzte ein nachsichtiges Gesicht auf. »Das ist ein einfaches Spiel, ein Spiel für Kinder, nicht verzwickter als das Spiel venturina, das in Venedig die Seeleute spielen. Aber wenn du meinst, wir sollten es eine Weile spielen -nun schön, meine Liebe, dann laß uns spielen. Ich nehme an, du willst mir irgend etwas vermitteln, das nicht gerade Langeweile ist.«
Sie gab mir eine schöne Menge Bohnen, damit ich sie setzen könne, und gab mir dann zu verstehen, ich könne soviel aufs Spiel setzen, wie ich wolle, und auf so viele Zahlenkästchen, wie mir beliebe. Infolgedessen legte ich in jedes der vier Kästchen je zehn Bohnen, um zu sehen, was geschah. Mit einem ungeduldigen Blick auf mich und ohne auch nur in das Säckchen zu greifen, um die Gewinnzahl herauszufinden, gab sie mir vierzig Bohnen aus dem Säckchen und schob dann die vierzig auf dem Boden liegenden zusammen. Mir ging auf, daß, spielte ich auf diese Weise, nur mein Einsatz gleich bliebe. So probierte ich anderes aus -ließ zum Beispiel ein Kästchen leer, legte aber in die anderen drei unterschiedliche Mengen von Bohnen und so weiter. Allmählich wurde das Spiel verwirrend, denn es ging um höhere Zahlen. Manchmal gewann ich eine ganze Handvoll Bohnen, und Hui-sheng behielt nur ganz wenige. Manchmal jedoch war der Zufall ihr hold: mein Haufen verkleinerte sich und der ihre wuchs. Nach und nach ging mir auf, daß -sofern jemand dies Spiel ernsthaft betrieb -er um viele, viele Bohnen reicher daraus hervorgehen konnte, sofern er mit diesem Gewinn aufstand und ging und der Versuchung widerstand, sein Glück noch einmal zu ve rsuchen. Dieser Drang war jedoch immer da, zumal dann, wenn man eine Gewinnsträhne hatte und hoffte, noch mehr zu gewinnen. Auch vermochte ich mir vorzustellen, daß -wenn ein Spieler mit drei anderen und noch dem Bankhalter mit dem Bohnensäckchen wetteiferte -das Spiel reizvoll und aufregend werden konnte, so daß man alles andere um sich herum vergaß. Doch genauso, wie ich die Gewinnchancen abzuschätzen vermochte, konnte der Bankhalter die ganze Zeit über reicher werden, während jeder Gewinner sich hauptsächlich auf Kosten der anderen drei bereicherte.
Ich vollführte eine Geste, um Hui-shengs Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hob die Augen vom Spielfeld auf dem Boden, und ich zeigte zuerst auf mich selbst, dann auf das Spiel und auf meine Geldbörse, um ihr zu verstehen zu geben: »Wenn man um Geld spielte statt um Bohnen, könnte einen das ganz schön teuer zu stehen kommen.«
Sie lächelte, ihre Augen tanzten, und sie nickte nachdrücklich: »Genau das habe ich dir klarmachen wollen.« Mit umfassender Gebärde zeigte sie dann auf ganz Hang-zho -oder vielleicht auf ganz Manzi -und beendete die Geste damit, daß sie den Arm auf jenen Raum in unserem Haus gerichtet hielt, in dem ich und mein Schreiber uns zur Arbeit niederzulassen pflegten.
Ich starrte auf ihr erwartungsfreudig strahlendes kleines Gesicht, dann auf die Bohnen auf dem Boden. »Willst du damit andeuten, wir sollten dies Spiel als Ersatz fürs Steuereinnehmen benutzen?«
Nachdrücklich nickte sie: »Ja.« Ausbreiten der Hände: »Warum nicht?«
Was für ein lächerlicher Einfall, war mein erster
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