Marco Polo der Besessene 2
Konstantinopel geschickt haben. Dasselbe werde ich mit deinem neugewonnenen Vermögen tun. Was wir aber darüber hinaus noch im Augenblick von Kubilais Ableben angesammelt haben werden, wird hier bestimmt beschlagnahmt.«
»Können wir da wirklich mit den Zähnen knirschen, wenn das geschehen sollte, Vater? Wenn wir bedenken, welche Reichtümer wir bereits aus Kithai und Manzi herausgeholt haben?«
Mit umwölkter Stirn schüttelte er den Kopf. »Was nützt uns ein Vermögen, das im Westen auf uns wartet, wenn wir hier festsitzen? Oder vielleicht gar tot sind? Nimm doch mal an, daß von allen, die Anspruch auf den Thron erheben, es ausgerechnet Kaidu wäre, der das Rennen machte!«
»Ja, dann wäre unser Leben wahrhaftig keinen Pfifferling wert«, sagte ich. »Aber müssen wir das Schiff denn gewissermaßen jetzt schon verlassen, wo sich am Horizont noch gar keine Wolke zeigt?« Amüsiert stellte ich fest, daß ich, wie oft in Gegenwart meines Vaters, anfing, in Gleichnissen und Bildern zu reden.
»Der erste Schritt ist immer der schwerste«, sagte er. »Wenn jedoch dein Zögern der Sorge um deine süße Dame hier entspringt, so hoffe ich, du denkst nicht, ich schlüge vor, sie zu verlassen. Sacro, no! Selbstverständlich wirst du sie mitnehmen. Sie mag in Venedig eine Zeitlang für Aufregung sorgen, aber man wird sie rasch liebgewinnen. Da novelo xe tuto helo. Du wärest nicht der erste, der mit einer Frau aus der Fremde heimkehrt. Ich erinnere mich, da war ein Schiffskapitän, einer von den Doria, der eine Türkenfrau mitheimbrachte, als er sich an Land zur Ruhe setzte. Groß wie ein campanile war sie…«
»Ich nehme Hui-sheng überall mit hin«, sagte ich und lächelte sie dabei an. »Ohne sie wäre ich verloren. Ich werde sie auch auf die Reise nach Champa mitnehmen. Wir werden nicht einmal solange bleiben, um unseren Haushalt hier auszupacken, den wir aus Manzi mitgebracht haben. Ich habe nie anderes vorgehabt, als sie mitzunehmen nach Hause, nach Venedig. Aber ich nehme doch nicht an, daß du empfiehlst, wir sollten uns noch heute aus dem Staube machen?«
»Aber nicht doch. Nur, daß wir Pläne machen. Darauf vorbereitet sind, von hier fortzugehen. Die Bratpfanne im einen Auge behalten und die Katze im anderen. Es würde mich in jedem Fall einige Zeit kosten, die kashi-Werkstätten zu schließen oder zu verkaufen - und vieles andere abzuwickeln.«
»Dazu bleibt noch reichlich Zeit. Kubilai sieht alt aus, aber nicht wie jemand, der bald stirbt. Wenn er noch soviel Lebenskraft besitzt, mit Knaben herumzuspielen, wie ich vermute, dann fällt er bestimmt nicht plötzlich tot um wie Chingkim. Laß mich seinen letzten Auftrag ausführen, und wenn ich dann zurückkehre…«
Geheimnisvoll sagte er: »Kein Mensch kann den Tag vorhersagen, Marco.«
Fast wäre ich ärgerlich geworden, doch war es mir unmöglich, wütend auf ihn zu sein, oder an seiner Schwarzseherei teilzunehmen oder mich in Zukunftsangst hineinzusteigern. Man hatte mich soeben zu einem reichen Mann gemacht, und ich war glücklich und war drauf und dran, in ein unbekanntes Land zu reisen -und das mit der geliebtesten Begleiterin an der Seite. Deshalb legte ich meinem Vater nur beruhigend die Hand auf die Schulter und sagte nicht verzagt, sondern wirklich unbeschwert und heiter: »Soll der Tag nur kommen! Sto mondo xe fato tondo!«
CHAMPA
1
Wieder war es der Orlok Bayan, den ich mich aufmachte zu suchen, nur daß die Reise viel, viel weiter fort führte; dafür brauchte ich mich diesmal nicht zu beeilen. Deshalb richtete ich es wieder so ein, daß Hui-sheng und ich mit Proviant wohlversorgt und einem kleinen Gefolge abreisten -ihrer mongolischen Dienerin, zwei Sklaven für die anfallenden schwereren Arbeiten insbesondere beim Lager-Aufschlagen, einer mongolischen Eskorte, uns zu beschützen, und einer ganzen Reihe von Tragtieren. Allerdings legte ich auch jeweils fest, wie weit wir jeden Tag kommen wollten, damit die Reise nicht allzu anstrengend wurde. Auch bekamen wir häufig frische Pferde an den Pferdeposten und trafen jeden Abend entweder in einer anständigen karwansarai, irgendeiner größeren Ortschaft ein oder konnten sogar in einem Provinzpalast absteigen. Alles in allem mußten wir ungefähr siebentausend li zurücklegen über Ebenen, kultiviertes Land und durch Gebirge -, doch da wir es gemächlich und in aller Muße taten, gelang es uns, auf einer Strecke von mindestens fünftausend li nachts wirklich gut zu schlafen.
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