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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zahllosen Vögel, die drüber hinflogen, nur wie eine unbedeutende Lücke in der grünen Pflanzendecke ausgenommen haben, die das Land überzog. Ava bestand fast ganz und gar aus dem Wald, den wir Dschungel nennen und die Eingeborenen Dong Nat -Dämonenwald. Und was man hier nat nannte, das wurde mir bald klar, ähnelte den kwei weiter im Norden, waren also unterschiedlich bösartige Dämonen. Mochten manche den Menschen nur harmlose Streiche spielen, waren andere wirklich tückisch; waren sie für gewöhnlich auch unsichtbar, konnten sie jede Gestalt annehmen, auch menschliche. Ich selbst meinte, die nat nähmen wohl überhaupt nur selten Körpergestalt an, denn in dem dichten Gestrüpp dieses Dong-Dschungels hatten sie ja eigentlich überhaupt keinen Raum, das zu tun. Jenseits der verschlammten Uferstreifen war vom Erdboden nichts zu sehen, nur ein Durcheinander von Farnen und Schlinggewächsen, blühenden Sträuchern und zhu-gan-Dickichten. Aus diesem Gewirr nun ragten -einer immer höher als der andere -die Bäume empor und bedrängten einander. Ganz oben gingen ihre Kronen ununterscheidbar ineinander über und bildeten gleichsam ein Dach über dem gesamten Land -und zwar ein Dach, das wiederum so dicht war, daß weder Regenstürme noch Sonnenlicht hindurchkam. Zu durchdringen war es offensichtlich nur von jenen Geschöpfen, die dort oben lebten, denn in den Baumkronen rauschte und knackte es ständig vom Landen und Auffliegen grellbunter Vögel und den Sprüngen und dem Geschaukel schrillstimmig durcheinanderschnatternder Affen.
    Jeden Abend, wenn unser Boot das Ufer ansteuerte, damit wir ein Lager aufschlagen konnten - es sei denn, wir gerieten durch Zufall an eine Lichtung mit einem aus Rohr gebauten Mien-Dorf darauf -, mußten zuerst Yissun und die Ruderer aussteigen, und mit einer breiten, schweren, dah genannten Klinge eine Stelle freihacken, damit wir unsere Schlafrollen ausbreiten und ein Feuer entzünden konnten. Ich habe mich nie der Vorstellung erwehren können, daß -kaum daß wir am nächsten Tag hinter der nächsten Flußschleife verschwunden waren -der geile, allesfressende, fiebrige Dschungel sich augenblicklich über der kleinen Delle schloß, die wir hinterlassen hatten. Dieser Eindruck ist gar nicht einmal so von der Hand zu weisen. Denn jedesmal, wenn wir in der Nähe eines zhu-gan-Haines lagerten, konnten wir es knacken hören, selbst dann, wenn sich überhaupt kein Lüftchen regte; das war dann das Geräusch des Wachsens.
    Yissun berichtete mir, manchmal reibe das schnellwachsende, sehr harte Rohr sich an einem aus Weichholz bestehenden Dschungelbaum; dann entstehe durch die Reibungshitze ein Feuer, und dieses könne sich -trotz der Feuchtigkeit, die ständig in der Vegetation herrsche -über viele hundert li nach allen Seiten ausbreiten. Überleben täten dann nur jene Menschen und Tiere, denen es gelinge, den Fluß zu erreichen; dort jedoch fielen sie aller Wahrscheinlichkeit dann noch den ghariyals zum Opfer, die sich an jeder Unglücksstätte versammelten. Bei dem ghariyal handelte es sich um eine, wie ich denke, gewaltige und schreckliche Flußschlange aus der Familie der Drachen. Es hat einen baumstammgroßen, knubbeligen Leib, Augen so groß wie hochgestellte Untertassen, Drachenmaul und Drachenschwanz, nur keine Flügel. Diese ghariyals gab es an allen Flußufern, sie lauerten für gewöhnlich im Schlamm wie Baumstämme mit glühenden Augen, belästigten uns jedoch nie. Offenbar leben sie vornehmlich von den Affen, die bei ihren Possen häufig schreiend in den Fluß fielen.
    Die Dschungeltiere taten uns aber auch sonst nichts, obwohl Yissun und die Mien aus den Dörfern am Fluß uns warnten, der Dong Nat sei von weit schlimmeren Dingen bewohnt als von nat und ghariyal. Zum Beispiel von fünfzig verschiedenen Giftschlangen, sagten sie, Tigern und Pardeln, Wildhunden und Wildschweinen und Elefanten und dem wilden Ochsen, den sie seladang nannten. Ich erklärte leichthin, ich hätte keine Lust, einem wilden Ochsen zu begegnen, denn die gezähmte Art, die ich in den Dörfern kennengelernt hatte, sähe schon furchteinflößend genug aus. Er war groß wie ein yak, von blaugrauer Farbe, besaß flache und sichelförmig nach hinten gebogene scharfe und flache Hörner. Wie die ghariyal-Schlange suhlte er sich mit Vorliebe in Schlammlöchern, so daß nur Schnauze und Augen herausguckten; befreite das riesige Tier sich aus dem Schlamm, ergab das jedesmal Geräusche, als ob huo-yao

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