Marco Polo der Besessene 2
Lohn erhält, sondern sich seinen Unterhalt damit verdient, daß er den zwanzigsten Teil dessen behält, was er einsammelt. Auf diese Weise legt er sich mehr ins Zeug. Nur kann ich mich darüber bei Euch in keiner Weise beklagen. Ihr werdet deshalb, wenn Ihr den Minister Lin-ngan aufsucht, feststellen, daß er Euren Anteil die ganze Zeit über beiseite gelegt hat und sich ein erkleckliches Sümmchen angesammelt haben dürfte!«
»Ein erkleckliches Sümmchen!« Mir blieb fast die Luft weg. »Aber Sire -es muß ein Vermögen sein! Das kann ich nicht annehmen. Ich habe nicht um des Gewinns willen gearbeitet sondern für meinen Herrn Kubilai.«
»Um so mehr habt Ihr es dann verdient.« Schon wieder machte ich den Mund auf, doch er sagte streng: »Wir wollen darüber nicht mehr streiten. Wenn Ihr jedoch Eure Dankbarkeit beweisen wollt, könntet Ihr noch eine Aufgabe für mich übernehmen.«
»Was Ihr wollt, Sire«, sagte ich, immer noch wie vor den Kopf geschlagen vor Überraschung.
»Mein Sohn und Euer Freund Chingkim wollte unbedingt die Dschungel von Champa kennenlernen; nun ist er nie hingekommen. Ich habe Botschaften für den Orlok Bayan, der im Augenblick im Lande Ava Krieg führt. Es handelt sich um nichts Außergewöhnliches oder Dringendes; aber ihr könntet sie als Vorwand betrachten, die Reise zu unternehmen, die Chingkim nicht mehr antreten konnte. Und wenn Ihr an seiner Statt hinreist, könnte das seiner Seele zum Trost gereichen. Wollt Ihr das tun?«
»Ungesäumt und ohne Zögern, Sire. Gibt es noch etwas, das ich dort unten für Euch erledigen könnte? Drachen erschlagen? Oder gefangene Prinzessinnen befreien?« Das war nur halb scherzhaft gemeint. Er hatte mich soeben zu einem steinreichen Mann gemacht.
Er gluckste beifällig, gleichwohl jedoch auch ein wenig traurig. »Bringt mir irgendeine Erinnerung. Irgend etwas, das ein liebevoller Sohn seinem alten Vater mitheimgebracht hätte.«
Ich versprach, nach etwas Ausgefallenem Ausschau zu halten, etwas, das man in Khanbalik noch nie gesehen hatte. Dann verabschiedeten Hui-sheng und ich uns von ihm. Als nächstes begrüßten wir meinen Vater, der uns beide in die Arme schloß und ein paar Tränen der Rührung verdrückte, bis ich ihm berichtete, welch große Gunst uns soeben vom Khakhan zuteil geworden war.
»Mefè!« rief er aus. »Das ist kein harter Knochen, an dem man zu kauen hätte! Ich habe mich immer für einen guten Geschäftsmann gehalten, aber ich schwöre, Marco, du würdest es schaffen, Sonnenschein im August zu verkaufen, wie man am Rialto sagt.«
»Das war alles Hui-shengs Werk«, sagte ich und drückte sie liebevoll an mich.
»Nun…«, sagte mein Vater nachdenklich. »Dies… noch auf das drauf, was die Compagnia bereits über die Seidenstraße heimgeschickt hat… Marco, mir scheint, es wird Zeit, daran zu denken, nach Hause zurückzukehren.«
»Wie bitte?« sagte ich erschrocken. »Aber Vater, da hast du doch immer ein ganz anderes Sprichwort bereit gehabt. Für den richtigen Mann ist die ganze Welt sein Zuhause. Solange es uns hier weiterhin gutgeht…«
»Besser heute ein Ei als morgen ein Huhn.«
»Aber unsre Aussichten sind doch immer noch rosig. Wir stehen beim Khakhan immer noch in hohem Ansehen. Das gesamte Khanat steht uns offen, wir brauchen nur alle Gelegenheiten wahrzunehmen, die sich uns bieten. Onkel Mafìo wird gut gepflegt und…«
»Mafìo ist wieder zu einem vierjährigen Kind geworden, deshalb ist es ihm gleichgültig, wo er ist. Ich jedoch gehe auf die sechzig zu, und Kubilai ist mindestens noch mal zehn Jahre älter.«
»Du siehst aber alles andere als greisenhaft aus, Vater. Gewiß, dem Khakhan sieht man sein Alter nachgerade an -und heiterer wird er auch nicht gerade -, aber was soll's?«
»Hast du mal darüber nachgedacht, wie unsere Stellung hier aussähe, wenn er plötzlich stürbe? Gerade weil er uns bevorzugt, hassen andere uns. Im Augenblick bloß heimlich, aber sobald seine schützende Hand fortfällt, werden sie uns ihren Haß spüren lassen. Wenn ein Löwe begraben wird, tanzen die Kaninchen. Außerdem werden dann die Muslime, die er im Augenblick unterdrückt, wieder in die Höhe kommen, und die lieben uns weiß Gott nicht. Daß noch Schlimmeres wahrscheinlich wird, brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen -Aufstände von der Levante bis hierher -, falls es zu einem Kampf um die Nachfolge kommen sollte. Ich bin deshalb heilfroh, daß wir die ganzen Jahre über unseren Gewinn an Onkel Marco in
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