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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Bolzen.«
    »Wir im Abendland haben kein Teakholz«, sagte ich fast verzeihungheischend. »Unsere Schiffsbauer nehmen Eichenholz. Aber eiserne Bolzen sind auch bei uns üblich.«
    »Törichte Ferenghi-Schiffsbauer!« rief er aus und ließ ein mächtiges Lachen erschallen. »Haben sie denn noch nicht bemerkt, daß Eichenholz eine Säure absondert, die das Eisen rosten läßt? Teak hingegen enthält ein Öl, das Eisen konserviert!«
    So war ich wieder einmal einem Beispiel der überaus hochstehenden! fernöstlichen Handwerkskunst begegnet, der gegenüber das, was wir im Abendland machten, ziemlich rückständig erschien. Trotzig hoffte ich nun auf ein Beispiel für fernöstliche Einfalt, damit das Gleichgewicht wiederhergestellt würde, und ging davon aus, daß ich einem solchen vor Ende der Reise schon noch begegnen würde -und glaubte schon triumphieren zu können, als wir eines Tages außer Sichtweite des schützenden Ufers in einen recht häßlichen Sturm hineinliefen. Der Wind heulte, der Regen prasselte und es blitzte, und die See ging rauh, und überall an Masten und Spieren flackerte das blaue Santermos-Feuer, und ich hörte, wie der Kapitän der Mannschaft in allen möglichen Sprachen zuschrie:
    »Bereitet die chuan fürs Opfer vor!«
    Mir wollte das als ein erschreckend unnötig frühes Waffenstrecken erscheinen, denn der mächtige Rumpf des Schiffes lag immer noch ruhig im Wasser und wiegte sich kaum. Ich war nur ein »Süßwasser-Seemann«, wie die echten venezianischen Seeleute höhnisch sagen, und eigentlich heißt es doch, daß diese überängstlich auf die Gefahren der See reagieren. Ich jedoch sah keinerlei Gefahr, die nach mehr verlangte als einem schlichten Segelreffen. Jedenfalls handelte es sich bei diesem Sturm gewiß nicht um den gefürchteten taifeng. Allerdings war ich Seemann genug, um zu wissen, daß man einem Kapitän nicht freiwillig einen Rat gibt oder seine Verachtung für seine dem Anschein nach übertriebene Angst zu erkennen gibt.
    Gott sei Dank, daß ich das nicht getan habe. Denn als ich mit umdü-sterter Miene nach unten gehen wollte, um meine Frauen darauf vorzubereiten, daß wir bald das Schiff verlassen müßten, traf ich auf zwei Matrosen, die alles andere als ängstlich, sondern eher fröhlich den Niedergang heraufkamen und vorsichtig ein ganz aus Papier gemachtes Schiff trugen, ein Spielzeugschiff, eine Miniaturnachbildung unserer chuan.
    »Das Opferschiff«, erklärte der Kapitän mir unerschüttert, als er es über Bord warf. »Es täuscht die Meeresgötter. Sobald sie sehen, daß es sich im Wasser auflöst, glauben sie, sie haben unser echtes Schiff versenkt. Da lassen sie den Sturm abklingen, statt ihn noch mehr anzuheizen.«
    Ich wurde also wieder einmal daran erinnert, daß, wenn die Han etwas Einfältiges taten, sie es genial machten. Ob es nun auf das Opfer des Papierschiffes zurückzuführen war oder nicht
    -jedenfalls ließ der Sturm bald nach, und ein paar Tage später landeten wir in Quin-huang-dao, der Khanbalik am nächsten gelegener Stadt am Meer. Von dort aus reisten wir Überland mit einer kleinen karwan von Wagen, die unser Gepäck transportierten.
    Als wir beim Palast anlangten, gingen Hui-sheng und ich selbstverständlich als allererstes, vor dem Khakhan ko-tou zu machen. In seinen königlichen Gemächern fiel mir auf, daß die älteren Verwalter und die Dienerinnen, die ihm früher gedient hatten, von einem halb Dutzend junger Pagen ersetzt zu sein schienen. Diese standen alle in einem Alter und waren einer schön wie der andere und hatten alle ungewöhnlich helles Haar und helle Augen, mehr oder weniger so wie jene Stammesangehörigen aus der India Ariana, die behaupteten, von Alexanders Soldaten abzustammen. Flüchtig überlegte ich, ob Kubilai wohl auf seine alten Tage noch eine abartige Vorliebe für hübsche Knaben entwickelte, dachte dann jedoch nicht weiter darüber nach. Der Khakhan begrüßte uns überaus warmherzig, und er und ich tauschten gegenseitig Beileidsbekundungen über den Verlust seines Sohnes und meines Freundes Chingkim aus. Dann sagte er:
    »Ich muß Euch nochmals zu dem glänzenden Erfolg gratulieren, mit dem Ihr Euren Auftrag in Manzi ausgeführt habt. Ich glaube, Ihr habt in all den Jahren keinen einzigen tsien des Tributs für Euch selbst genommen, stimmt's? -Nein, das hatte ich mir gedacht. Es war meine eigene Schuld. Ich hatte versäumt, Euch vor Eurer Abreise klarzumachen, daß ein Steuereintreiber für gewöhnlich keinerlei

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