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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und alles andere als energiegeladen waren -was Wunder, daß sie hier unten in der alles auslaugenden feuchtheißen Luft dieses Landes noch weiter heruntergekommen waren; soweit, daß ihre einzige bewußte Anstrengung darin bestand, wie eine Kuh zu kauen, und ihr einziger Fluch ein milchsanftes »Mutter!« war und selbst die Schrift ihres Königs Schlaffheit verriet.
    Bei allem Mitleid muß ich sagen, daß von einem Volk, das in tropischem Klima im Dschungel lebt, nicht viel Ehrgeiz und Lebenskraft zu erwarten ist. Es bedarf ja bereits größter Willensanstrengung, überhaupt am Leben zu bleiben. Ich selbst neigte sonst eigentlich nicht zur Schlampigkeit, doch in Ava fühlte ich mich jeder Energie und jedes Daseinszwecks beraubt; selbst meine für gewöhnlich kecke und lebhafte Hui-sheng hatte hier etwas Schmachtendes in ihren Bewegungen. Ich hatte Hitze durchaus an anderen Orten kennengelernt, nie jedoch diese schwüle, schwere, niederziehende Hitze, wie ich sie in Ava zu spüren bekam. Ich hätte genausogut eine Wolldecke in heißem Wasser auswringen und mir dann über den Kopf werfen können, so daß ich sie sowohl tragen wie auch versuchen mußte, darunter zu atmen.
    Das Sumpfklima allein wäre schon Beschwernis genug gewesen, doch brütete es noch etliche andere Qualen aus, vor allem die des Dschungelgewürms. Tagsüber glitt unser Boot in einem dichten Mückenschwarm flußabwärts. Wir brauchten bloß die Hand auszustrecken, und wir konnten sie zu Dutzenden zerquetschen; ihr Gesumm war so laut wie das Schnaufen der ghariyal-Schlangen am schlammigen Ufer, und gestochen wurde man so ununterbrochen, daß man schließlich völlig dagegen abstumpfte, was ein wahrer Segen war. Stieg einer von unseren Männern etwa beim abendlichen Anlandgehen in das seichte Wasser, waren Beine und Hosen rot und schwarz gestreift: schwarz von den schleimigen, sich windenden Blutegeln, die sich an ihm festgesaugt hatten und noch durch das Gewebe seiner Kleidung hindurch mit einer solchen Gier Blut aus ihm heraussaugten, daß ihnen dies seitlich von ihren Freßwerkzeugen herausfloß -daher das Rot. An Land wurden wir dann entweder von enorm großen roten Ameisen oder von hin-und herschießenden Rinderfliegen gepeinigt; die Bisse der einen wie die Stiche der anderen waren dermaßen schmerzhaft, daß sie, wie man uns sagte, sogar Elefanten dazu brachten, in wildem Galopp davonzustieben. Die Nacht brachte kaum Linderung, denn der gesamte Boden war von einer Brut von Flöhen verseucht, die so klein waren, daß man sie kaum sehen, vor allem aber niemals fangen konnte. Ihre Stiche jedoch hatten enorme Quaddeln zur Folge. Hui-shengs Weihrauch brachte uns einige Ruhe vor den nachtfliegenden Insekten; dafür war es uns völlig gleichgültig, wie viele nat er anlocken mochte.
    Ich weiß nicht, ob es an der Hitze lag, an der Luftfeuchtigkeit, an den Insekten oder all diesen Qualen zusammen, aber viele Leute im Dschungel litten an Krankheiten, die weder tödlich zu verlaufen noch jemals geheilt zu werden schienen. (Die Bevölkerung von Yun-nan nannte ganz Champa das »Fiebertal«.) Zwei von unseren robusten mongolischen Ruderern fielen einer oder auch mehreren dieser Krankheiten zum Opfer, und Yissun und ich mußten ihre Aufgaben übernehmen. Der Rachen dieser Männer war fast so blutig gerötet wie die der betelkauenden Mien, und das Haar fiel ihnen büschelweise aus. Unter den Armen und zwischen den Beinen faulte die Haut, wurde grün und löste sich flockig ab wie verdorbener Käse. Irgendein Pilz befiel ihre Finger und Zehen, so daß Finger-und Fußnägel ganz weich wurden, näßten und schmerzten und häufig bluteten.
    Yissun fragte einen Dorfschulzen der Mien um Rat, und er sagte uns, wir sollten den Männern Pfeffer in die Wunden reiben. Als ich mich dagegen verwahrte und erklärte, das müsse doch scheußliche Schmerzen zur Folge haben, sagte er: »Amè! Gewiß, U Polo. Aber dann schmerzt es den nat der Krankheit noch mehr, und es könnte sein, daß der Dämon entfleucht.«
    Unsere Mongolen ließen diese Behandlung stoisch über sich ergehen, aber die nat leider auch, und so blieben die Männer die ganze Zeit über krank und konnten sich nicht erheben. Zumindest zogen sie und wir anderen uns nicht noch ein Dschungelleiden zu, von dem wir gehört hatten. Zahlreiche Mien-Männer vertrauten uns bekümmert an, sie litten darunter und würden immer darunter leiden. Sie nannten es koro und beschrieben die überaus schreckliche Folge: daß das

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