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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Besitzansprüche anmeldeten, Zeugen oder Berater waren, erwiesen sich als noch weit weniger sympathisch. Sie gehörten allen möglichen Volksgruppen an Mien, Hindu, ein paar Ureinwohner von Ava, vielleicht sogar der eine oder andere Myama, der einer höheren Klasse angehörte -, doch kaum besonders ansprechende Vertreter ihres Volkes. Es handelte sich um die üblichen Geier, wie sie sich in jedem Hafen auf die Seeleute stürzen, um sie auszunehmen. Ich fühlte nochmals Mitleid mit dem kleinmütigen König, Der Davonlief, in mir aufsteigen, daß er einen so tiefen Sturz von der Höhe seines Thrones bis in die Niederungen solcher Gesellschaft hatte machen müssen. Nur konnte ich selbstverständlich auch hier kein vorgefaßtes Urteil fällen, bloß weil mir alle Beteiligten so wenig gefielen.
    Mit einer Regel in der Rechtsprechung dieser Lande war ich vertraut: Daß nämlich die Aussage einer Frau weit weniger galt als die eines Mannes. Aus diesem Grund winkte ich zuerst die Männer heran, ihren Fall vorzutragen, und Yissun dolmetschte, als ein häßlicher Mann vortrat und unter Eid erklärte:
    »Hoher Herr Richter, der verstorbene König setzte seine Person als Pfand, und ich setzte eine Summe dagegen, mit der er einverstanden war. Der Würfel fiel zu meinen Gunsten. Ich gewann ihn, doch später betrog er mich um meinen Gewinn, als er…«
    »Genug«, sagte ich. »Wir beschäftigen uns hier ausschließlich mit den Geschehnissen in der Spielhalle. Als nächster sage der Mann aus, der darauf gegen den König spielte.«
    Ein Ausbund an Häßlichkeit trat vor. »Hoher Herr Richter, der König sagte, er habe noch ein Besitztum anzubieten, und das war diese Frau hier. Ich ging auf die Wette ein, der Würfel rollte zu meinen Gunsten. Und seither wogt ein dummer Streit…«
    »Was seither ist, interessiert hier nicht«, sagte ich. »Kommen wir zu den Dingen, wie sie sich nacheinander ereigneten. Ich glaube, Dame Tofaa Devata, als nächstes fandet Ihr Euch in der Spielhalle ein.«
    Sie tat einen gewichtigen Schritt vor, wobei sich herausstellte, daß sie barfuß und bis über die Knöchel dreckig war wie jeder andere nichtkönigliche Bewohner im Hafen auch. Als sie zu sprechen anhob, lehnte Yissun sich zu mir herüber und flüsterte: »Marco, verzeiht, aber ich spreche keine der indischen Sprachen.«
    »Das macht nichts«, erklärte ich. »Diese hier verstehe ich.« Was stimmte, denn was sie sprach, war keine indische Sprache, sondern das Farsi der Handelswege.
    Sie sagte: »Jawohl, ich meldete mich in der Spielhalle…«
    Ich sagte: »Wir wollen uns an das Protokoll halten. Ihr habt mich mit Hoher Herr Richter anzureden.«
    Sie war offensichtlich beleidigt, von einem bleichhäutigen und titellosen Ferenghi zurechtgewiesen zu werden, begnügte sich jedoch mit einem königlichen Naserümpfen und begann noch einmal von vorn:
    »Ich meldete mich in der Spielhalle, Hoher Herr Richter, und fragte die Spieler: ›Ehe mein guter Gatte mich verwettete, hat er da nicht sich selbst verwettet und verloren?‹ Denn wenn er das getan hatte, mein Herr, war er ja schon selbst ein Sklave, und ein Sklave kann laut Gesetz kein Eigentum haben. Infolgedessen konnte und durfte er mich beim Spiel nicht als Einsatz bieten. Deshalb gehöre ich auch dem Gewinner nicht und…«
    Ich unterbrach sie abermals, freilich nur, um zu fragen: »Wie kommt es, daß Ihr Farsi sprecht, meine Dame?«
    »Ich bin von bengalischem Adel, mein Herr«, sagte sie, reckte sich und machte ein Gesicht, als hätte ich versucht, das zu bezweifeln. »Ich entstamme einer edlen Kaufmannsfamilie brahmanischer Ladenbesitzer. Selbstverständlich bin ich als Dame nie so tief gesunken zu lernen, was ein Schreiber lernen muß - Lesen und Schreiben. Aber ich spreche die Handelssprache Farsi, und daneben meine Muttersprache Bengali sowie die anderen Hauptsprachen Groß-Indiens - Hindi, Tamil, Telugu…«
    »Ich danke Euch, Dame Tofaa. Doch jetzt laßt uns fortfahren.«
    Nachdem ich mich so lange in den östlichen Teilen des Khanats aufgehalten hatte, war mir fast schon entfallen, welch herausragende Rolle im Rest der Welt das Farsi spielt. Doch lag es auf der Hand, daß die meisten Männer im Raum, die ja immer mit Seeleuten zu tun hatten, diese Sprache gleichfalls beherrschten. Denn mehrere von ihnen meldeten sich gleichzeitig zu Wort und schnatterten durcheinander, doch was sie zu sagen hatten, lief letzten Endes auf folgendes hinaus:
    »Die Frau krittelt an allem herum und redet

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