Marco Polo der Besessene 2
Spielhalle. Es heißt, in den Augen des Gewinners habe es geglitzert, als er sah, was für eine erlesene Sklavin er gewonnen hatte. Sie ist noch eine junge Frau, die der König erst in allerletzter Zeit genommen hatte, weder eine Hauptgattin, die Anspruch auf den Titel Königin gehabt hätte, noch bis jetzt Mutter irgendwelcher Erben und infolgedessen bloß weil sie zur königlichen Familie gehört hatte, auch nicht besonders wertvoll. Was man in dieser Stadt schön findet, entspricht nicht meinen Vorstellungen von Schönheit, aber manche Männer sagen, sie sei schön, und alle sagen, sie sei gerissen, und was das betrifft, muß ich ihnen recht geben. Denn als Tofaas neuer Gebieter nach ihrer Hand griff, enthielt sie ihm diese lange genug vor, um das Wort an alle in der Spielhalle Versammelten zu richten. Sie sprach nur einen einzigen Satz, stellte nur diese eine Frage: ›Ehe mein Gatte mich verwettete, hatte er da nicht sich selbst verwettet -und verloren?‹«
Endlich schwieg Shaibani.
Ich wartete einen Moment und hakte dann ein: »Ja, und?«
»Eben. Das war der Anfang des Streits. Seither ist diese Frage vieltausendmal in dieser elendigen Stadt gestellt worden, und keine zwei Bürger geben dieselbe Antwort darauf, ein Magistrat streitet mit dem anderen, Bruder hat sich gegen Bruder gewendet, und jetzt raufen sie in den Straßen. Ich bin nicht lange nach diesem Ereignis, das ich soeben beschrieben habe, hier eingeritten, und sämtliche Streithähne verlangen lauthals, daß ich den Streit schlichte. Ich kann es nicht, und ehrlich gesagt, es widert mich an, und wenn Ihr ihn nicht schlichten könnt, würde ich am liebsten die ganze elende Stadt in Schutt und Asche legen.«
»Was gibt es denn da zu schlichten, Sardar?« sagte ich geduldig. »Ihr habt doch schon gesagt, der König habe seine eigene Person verpfändet und verloren, ehe er seine Gattin setzte. Folglich sind sie beide verloren und gehören den Gewinnern, ob tot oder lebendig, ob sie wollen oder nicht.«
»Tun sie das wirklich? Oder vielmehr -da er längst verbrannt worden ist -, tut sie es? Darüber müßt Ihr entscheiden, Euch jedoch zuvor alle Argumente anhören. Ich habe die Dame in Gewahrsam genommen, sie befindet sich in einem Gemach im Oberstock. Ich kann sie herunterholen und auch alle Männer herbeiholen lassen, die an jenem Tag in der Spielhalle gespielthaben. Wenn Ihr Euch einverstanden erklärt, Älterer Bruder, jedenfalls dieses eine Mal ein Ein-Mann-cheng zu sein, habt Ihr gleichzeitig die beste Gelegenheit, Euch danach zu erkundigen, wo der Zahn geblieben ist, nach dem Ihr sucht.«
»Ihr habt recht. Nun gut, dann bringt sie her. Und bitte, laßt meinen Mann Yissun kommen, damit er für mich dolmetscht.«
Die Dame Tofaa Devata war trotz ihres Namens, der »Göttergeschenk« bedeutete, auch für meine Begriffe nicht eben eine Schönheit.
Sie stand etwa in Hui-shengs Alter, war jedoch so füllig, daß man zwei Hui-shengs aus ihr hätte machen können. Shaibani hatte sie eine Bengali genannt, und offenbar hatte der König von Ava sie aus dem indischen Staate Bengalen eingeführt, denn sie war eine typische Hindufrau: ölige braune, fast schwarze Haut, die in der Tat in den Ringen, die sie unter den Augen hatte, schwarz war. Zuerst dachte ich, sie hätte zuviel al-khol aufgetragen, doch später sollte ich erkennen, daß fast alle Hindus -Männer wie Frauen -von Natur aus diese wenig ansprechende Verfärbung unter den Augen haben. Die Dame Tofaa hatte außerdem noch einen roten Farbpunkt zwischen den Augen auf der Stirn und ein Loch in einem Nasenloch, wo sie zuvor vermutlich einen Glitzerstein getragen hatte, ehe ihr Mann diesen beim Würfelspiel verloren hatte. Sie trug ein Gewand, das aus einer einzigen Stoffbahn zu bestehen schien (und, wie ich später feststellte, auch tatsächlich bestand), die sie sich mehrere Male um ihre Fülle gewickelt hatte, daß nur ihre Arme, eine Schulter und eine Rolle ihres fettglänzenden dunkelbraunen Fleisches an der Hüfte unbedeckt blieben. Diese Blößen waren nicht sonderlich verführerisch, und das Tuch war ein schreiend buntes, mit Metallfäden durchzogenes Gewebe. Die Dame und ihr Aufzug vermittelten ganz allgemein den Eindruck vo n Ungewaschenheit, was ich jedoch aus lauter Ritterlichkeit auf die schweren Zeiten schob, die sie letzthin hatte durchmachen müssen. Ich fand sie nicht reizvoll, doch wollte ich mich dieserhalb ihr gegenüber nicht voreingenommen zeigen.
Doch die anderen im Raum, die
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