Marco Polo der Besessene 2
sagte er. »Es tut gut, Euch zu begrüßen, Älterer Bruder Marco Polo. Ich sehe, daß Ihr das pai-tzu des Khakhan tragt.«
»Sain bina, Sardar Shaibani. Jawohl, ich komme in einer Mission für unseren gemeinsamen Herrn Kubilai.«
Yissun führte die Pferde in die Stallungen, die den hinteren Teil des Hauses einnahmen. Shaibani und ich gingen vorn hinein, und seine Diener setzten uns ein Mahl vor. Beim Essen erzählte ich ihm, daß ich den Spuren von Avas letztem König Narasinhapati folgte, warum ich das täte und daß ich die noch verbliebene Habe des Flüchtlings durchsuchen und mit Angehörigen seines Gefolges, die noch lebten, reden möchte.
»Es soll geschehen, wie Ihr begehrt«, sagte der sardar. »Auch kann ich nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Euch das pai-tzu tragen zu sehen, denn das verleiht Euch Autorität, einen überaus vertrackten Streit hier in Akyab beizulegen. Es geht um eine Frage, die ziemlich viel Unruhe gebracht und die Einwohnerschaft in zwei Lager aufgespalten hat. Mit dieser ganzen Angelegenheit sind sie dermaßen beschäftig, daß sie unseren Einmarsch kaum zur Kenntnis genommen haben. Und solange der Streit nicht beigelegt ist, kann ich hier keine vernünftige Verwaltung einrichten. Meine Männer haben alle Hände voll zu tun, ständig Raufereien zu unterdrücken. Ich bin daher froh, daß Ihr gekommen seid.«
»Nun«, sagte ich etwas verwirrt, »was ich tun kann, will ich gern tun. Aber zuerst kommt für mich die Sache mit dem verstorbenen König.«
»Aber bei der ganzen Geschichte geht es ja um diesen verstorbenen König«, sagte er und setzte dann noch aufknurrend hinzu: »Mögen die Würmer an seinen verfluchten Überresten ersticken! Bei diesem Streit geht es nämlich um eben seine Habe und die überlebenden Angehörigen, um die es Euch zu tun ist zumindest um das, was davon geblieben ist. Gestattet Ihr, daß ich erkläre?«
»Ich bitte darum.«
»Dieses Akyab ist eine elendige, schmutzige Stadt. Ihr seht aus wie ein vernünftiger Mann, weshalb ich annehme, Ihr werdet wieder fortreisen, sobald Ihr könnt. Ich bin hierher abkommandiert, also muß ich bleiben; auch werde ich mich bemühen, eine nützliche Neuerwerbung für das Khanat daraus zu machen. So elend das Nest ist, es ist ein Seehafen, und darin ist Akyab wie jeder andere Hafen auch. Das heißt, es gibt hier zwei Gewerbezweige, die ihr Vorhandensein rechtfertigen und die Bewohner der Stadt ernähren. Beim einen geht es um die Hafenanlagen - Docks und Schiffsmakler, Lagerschuppen und dergleichen. Bei dem anderen Gewerbe geht es wie in jedem Hafen darum, den Appetit der Schiffsbesatzungen zu stillen, solange die Schiffe hier liegen. Das bedeutet: Hurenhäuser, Trinkstuben und Glücksspiel. Der überwiegende Teil des Handels hier in Akyab wird mit Indien abgewickelt, das auf der anderen Seite der Bucht von Bengalen liegt; die Folge davon ist, daß die meisten der Matrosen, die hierherkommen, dreckige Hindus sind. Die können mit starken berauschenden Getränken nichts anfangen, zwischen den Beinen regt sich bei ihnen auch nichts, und so verbringen sie ihre Zeit an Land vornehmlich beim Glücksspiel. Deshalb gibt es hier nur wenige kleine und armselige Bordelle und Trinkstuben -und vakh!, mit den Huren und den Getränken ist wahrhaftig kein Staat zu machen. Dafür kann Akyab mit etlichen Spielhallen aufwarten, das sind die blühendsten Unternehmen hier, und entsprechend sind die Eigentümer auch die tonangebenden Bürger der Stadt.«
»Das ist alles sehr interessant, Sardar, doch ich begreife nicht, was das…«
»Ach, gestattet, Älterer Bruder. Ihr werdet gleich begreifen, worum es geht. Dieser König, Der Davonlief -seine feige Flucht hat nicht gerade dazu beigetragen, seine Beliebtheit bei seinen früheren Untertanen zu steigern. Oder bei irgendeinem Menschen. Man hat mir gesagt, er habe Pagan mit einer großen karwan verlassen: Elefanten, Tragtieren, Frauen und Kindern, Höflingen, Dienern und Sklaven -und allen Schätzen, die sie tragen konnten. Doch jede Nacht, die sie unterwegs waren, wurde die karwan kleiner. Im Schütze der Dunkelheit machten sich seine Höflinge mit einer Menge der zusammengeraubten Schätze aus dem Staube. Diener setzten sich ab und nahmen mit, was sie bekommen konnten. Sklaven liefen davon, um die Freiheit zu gewinnen. Selbst die Frauen des Königs -darunter sogar seine Königliche Erste Gemahlin -nahmen ihre Prinzen und Prinzessinnen und verschwanden. Wahrscheinlich, um einen anderen Namen
Weitere Kostenlose Bücher