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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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aus dem Bett, um uns zu verabschieden, als wir uns bei Morgengrauen auf die Rückreise machten.
    Tofaa und ich standen wartend im Hinterhof, während die beiden uns zugewiesenen Begleiter unsere Pferde sattelten und unser Gepäck am Hinterzwiesel festschnallten, da sah ich zwei weitere Männer aus einer Hintertür des Palasts herauskommen. Im Zwielicht der frühen Dämmerung konnte ich nicht erkennen, wer sie waren, doch einer von ihnen setzte sich auf den Boden, während der andere über ihm aufragte. Unsere Eskorte hielt in der Arbeit inne und murmelte voller Unbehagen miteinander, und Tofaa dolmetschte für mich:
    »Das ist der Hofhenker und ein verurteilter Gefangener. Er muß eines bedeutenden Verbrechens für schuldig befunden worden sein, daß man ihn zur karavat verurteilt hat.«
    Neugierig ging ich ein wenig näher, doch nicht so nahe, daß es wie Einmischung ausgesehen hätte. Bei der karavat, so konnte ich schließlich erkennen, handelte es sich um eine besondere Art von Schwertklinge. Sie besaß keinen Griff, sondern war einfach ein halbmondförmiger scharfer Stahl, dessen beide Enden mit einer kurzen Kette verbunden waren; die Ketten selber liefen in einer Art metallener Steigbügel aus. Der Verurteilte setzte sich weder hastig noch allzu widerstrebend -die halbmondförmige Klinge eigenhändig auf den Nacken, so daß ihm die Ketten vorn über die Schultern fielen. Dann zog er die Knie an und hob die Füße so an, daß er sie in die Steigbügel stecken konnte. Noch einmal ganz kurz Luft holend, drückte er den Nacken gegen die Klinge und stieß gleichzeitig mit beiden Beinen nach außen. Ohne fremde Hilfe trennte er mit der karavat den Kopf säuberlich vom Hals. Ich ging noch ein Stück näher, und während der Henker dem Leichnam die karavat abnahm, sah ich mir den Kopf an, der Augen und Mund immer noch auf-und zumachte, als könne er das Ganze nicht fassen. Es war der Perlentaucher, der den echten Buddhazahn gebracht hatte, der einzig unternehmenslustige und ehrenwerte Hindu, dem ich in Indien begegnet war. Der kleine Raja hatte ihn belohnt, wie er es versprochen hatte.
    Als wir davonritten, dachte ich darüber nach, daß ich zum Schluß nun doch noch etwas gesehen hatte, worauf die Hindus als auf eine eigene Erfindung stolz sein konnten. Sonst hatten sie ja nichts. Sie hatten dem in Indien geborenen Buddha längst entsagt und ihn fremden Landen überlassen. Die wenigen Sehenswürdigkeiten, die sie Besuchern stolz zeigen konnten, waren das Werk eines anderen und verschwundenen oder untergegangenen Volkes. Sitten und Gebräuche der Hindus, Moralvorstellungen und Gesellschaftsordnung sowie persönliche Verhaltensformen mußten sie meiner Meinung nach von irgendwelchen Affen haben. Selbst ihr besonderes Musikinstrument, die sitar, war der Beitrag eines Ausländers. Wenn es sich bei der karavat wirklich um eine Hindu-Erfindung handelte, dann mußte es ihre einzige sein, und die wollte ich ihnen denn auch zugestehen: Schließlich war kaum eine Hinrichtungsart denkbar, bei der die Verurteilten sich selbst umbrachten und der Henker sich nicht anzustrengen brauchte mochte es also die höchste Leistung eines Volkes sein!
    Wir wären ja geradenwegs von Kumbakonam in östlicher Richtung an die Cholamandal-Küste geritten und hätten das nächstgelegene Dorf aufgesucht, von dem aus Schiffe in See stachen, die über die Bucht von Bengalen hinübersegelten. Tofaa jedoch meinte, und da mußte ich ihr recht geben, daß wir doch wohl am besten auf dem Wege zurückkehrten, auf dem wir gekommen wären -also nach Kuddalore, denn dort, so wußten wir aus Erfahrung, liefen sehr viele Schiffe an. Nur gut, daß wir das taten, denn als Tofaa bei unserer Ankunft herumfragte, ob es nicht ein Schiff gäbe, das wir chartern könnten, sagten die einheimischen Seeleute uns, es sei bereits ein Schiff da, das nach uns Ausschau halte. Das verwirrte mich, doch nur kurz, denn die Nachricht von unserer Ankunft verbreitete sich rasch in Kuddalore, und ein Mann, der kein Hindu war, kam herbeigelaufen und grüßte: »Sain bina!«
    Zu meiner großen Überraschung handelte es sich um Yissun, meinen einstigen Dolmetsch, den ich das letztemal gesehen, als er sich von Akyab aus auf den Weg zurück durch Ava nach Pagan gemacht hatte. Wir schlugen uns wechselseitig auf die Schulter, begrüßten uns lautstark, doch dann schnitt ich ihm das Wort ab und fragte: »Was macht Ihr hier in diesem gottverlassenen Nest?«
    »Der Wang Bayan hat mich

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