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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Ankunft in Pagan, und das lag wie lange zurück? Gèsu, mindestens acht Monate, wenn nicht gar neun! Die Geburt mußte für Hui-sheng unmittelbar bevorstehen. Kein Wunder, daß Bayan daran gelegen war, mich so schnell wie möglich zu finden und an ihr Lager eilen zu lassen.
    Doch für ihn drängte es nicht mehr als für mich. Wenn Huisheng auch nur in der geringsten Schwierigkeit war, wollte ich bei ihr sein. Und jetzt war sie in der denkbar größten Schwierigkeit und ich unverzeihlich fern von ihr. Infolgedessen kam mir diese Fahrt über den Golf von Bengalen zermürbendlangsamer und länger vor als die erste Überfahrt, hinüber zur Cholamandal-Küste. Der Kapitän, die Besatzung und meine Mitpassagiere fanden mich bestimmt keinen sehr angenehmen Fahrgast. Ich war unleidlich, schimpfte bei jeder Gelegenheit und tigerte rastlos auf dem Deck auf und ab, und ich verfluchte die Seeleute jedesmal, wenn sie nicht jedes bißchen Segel aufgezogen hatten, und verfluchte die gleichgültige Unermeßlichkeit des Golfs, und ich verfluchte das Wetter, so oft sich eine noch so kleine Wolke am Himmel zeigte, und ich verfluchte die erbarmungslose Langsamkeit, mit der die Zeit verging - hier so unendlich langsam verging und woanders Huisheng auf den entscheidenden Tag zurasen ließ.
    Und am meisten verfluchte ich mich selbst, denn wenn es auf der Welt einen Mann gab, der wußte, was er einer Frau antat, wenn er sie schwängerte, so war ich das. Damals, auf dem Dach der Welt, als ich unter dem Einfluß des Liebestranks für kurze Zeit eine den Geburtswehen hilflos ausgelieferte Frau gewesen war. Mochte es auch eine durch Drogen hervorgerufene Täuschung gewesen sein oder eine durch Drogen hervorgerufene Verwandlung meines Körpers, ich hatte ganz unmißverständlich jeden grauenhaften Augenblick, jede Stunde und die gesamte Dauer des Geburtsvorgangs durchlitten. Ich kannte ihn besser als jeder Mann, besser sogar; als ein Arzt es wissen konnte, und wenn er bei noch so vielen Geburten dabeigewesen war. Ich wußte, daß dieser Vorgang nichts Hübsches oder Köstliches oder Beglückendes war, wie all die Mythen von den Freuden der Mutterschaft uns glauben machen wollten. Ich wußte, daß es eine schmutzige Sache war, ekelerregend, demütigend, eine schreckliche Qual. Ich hatte erlebt, wie ein Liebkoser Menschen Entsetzliches antat, doch nicht einmal er konnte es von innen heraus tun. Die Geburt war grauenhafter, und der Gefolterte konnte nichts tun als schreien und schreien, bis die Qual im letzten Herauspressen endete, das einen schier zerriß.
    Aber die arme Hui-sheng konnte nicht einmal schreien.
    Und wenn das wühlende, wütende, bedrängende und zerreißende Ding in ihr überhaupt nicht herauskonnte…?
    Ich war es, der schuld hatte. Ich hatte es verabsäumt - einmal -, die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Dabei war ich sogar noch schuldhafter pflichtvergessen gewesen. Seit meiner eigenen furchtbaren Erfahrung mit einer Kindsgeburt hatte ich erklärt: »Nie will ich eine Frau, die ich liebe, einem solchen Schicksal ausliefern!« Wenn ich also Hui-sheng wahrhaft geliebt hätte, würde ich ihr nie beigewohnt und sie diesem noch so geringen Risiko ausgesetzt haben. Es hielt schwer, all die wunderschönen Male zu bedauern, da sie und ich einander geliebt hatten, und doch bedauerte ich sie, denn selbst mit Vorsichtsmaßnahmen -eine absolute Sicherheit gab es nicht, und sie war jedesmal in Gefahr gewesen. Jetzt schwor ich mir und dem Herrgott, wenn Hui-sheng diese Gefahr überstand, ich ihr nie wieder beiwohnen würde. So sehr liebte ich sie; wir mußten einfach andere Mittel und Wege finden, uns wechselseitig unsere Liebe zu beweisen.
    Nachdem ich diesen bitteren Entschluß gefaßt hatte, bemühte ich mich, meine Ängste in glücklicheren Erinnerungen zu ertränken, doch gerade, weil sie so süß waren, entbehrten sie jetzt nicht einer gewissen Bitterkeit. Ich erinnerte mich, wie ich sie das letztemal gesehen hatte -als ich und Yissun von Pagan fortgeritten waren. Hui-sheng konnte weder gehört haben, wie ich »Auf Wiedersehen, Liebste« gerufen hatte, noch etwas darauf erwidern können. Und doch hatte sie mit dem Herzen gehört. Und gesprochen hatte sie auch -mit den Augen: »Komm zurück, Liebster!« Und ich erinnerte mich, wie sie -des Genusses beraubt, jemals Musik zu hören -sie statt dessen oft gefühlt, oder gesehen oder auf andere Weise gespürt hatte. Sie hatte sogar Musik gemacht, auch wenn sie unfähig gewesen war,

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