Marco Polo der Besessene 2
lange unterwegs gewesen sind. Männer wie Frauen waren vierschrötig und untersetzt, hatten enorme vortretende Unterkiefer und eine Haut, die schwärzer und glänzender war als die jedes Afrikaners. Ich hätte ohne weiteres mein Kinn auf dem Kopf des größten von ihnen ruhen lassen können -nur, daß ich so was nie getan hätte, denn ihr Haar war wirklich das Abstoßendste an ihnen: nur Büschel von rötlichen Zotteln. Nun hätte man annehmen sollen, daß ein Volk von so grotesker Häßlichkeit versucht hätte, dies dadurch wettzumachen, daß sie sich besonders anmutiger Verhaltensformen befleißigten, doch waren die Angamanam-Bewohner durchgängig mürrisch und ruppig. Das liege, wie ein Han-Matrose mir sagte, daran, daß sie enttäuscht wären und wütend, daß nicht zumindest ein oder zwei Fahrzeuge unserer Flotte an den vielen Korallenriffen aufgelaufen wären. Denn einzige Beschäftigung, Religion und Freude dieser Menschen bestand im Plündern gestrandeter Schiffe, dem Abschlachten der Mannschaft und dem zeremoniellen Verzehren derselben.
»Sie aufessen? Warum das?« fragte ich. »Die Bewohner einer
tropischen Insel, auf der Meer und Dschungel alles
Lebensnotwendige liefern, leiden doch wohl nicht an
Nahrungsmangel.«
»Sie verspeisen die Schiffbrüchigen nicht, um Nahrung zu sich zu nehmen. Sie glauben, daß das Verspeisen eines abenteuerlustigen Seefahrers sie genauso kühn und unternehmungslustig macht, wie er es war.«
Doch wir waren unser zu viele und zu gut ausgerüstet, als daß die schwarzen Zwerge einen Angriff auf uns hätten wagen können. Unser einziges Problem bestand darin, sie zu überreden, uns von ihrem Wasser und von ihrem Gemüse zu überlassen, denn selbstverständlich waren diese Menschen nicht im geringsten an Gold oder Bezahlung in irgendeiner Art von Geld interessiert. Doch wie das oft bei besonders häßlichen Menschen ist, waren sie sehr eitel. So bekamen wir durch Überlassung von billigem Glitzerschmuck und Bändern und anderem Tand, mit dem sie ihr unsägliches Selbst schmücken konnten, alles, was wir brauchten, und segelten weiter.
Von dort aus machte unsere Flotte eine glatte Überfahrt über den Golf von Bengalen - das einzige Meer, das ich jetzt dreimal überquert habe. Ich bin nicht traurig, wenn ich es nie wieder zu tun brauche. Diese Überfahrt vollzog sich etwas südlicher von den beiden früheren, aber der Anblick, der sich mir bot, war der gleiche: azurblaues Wasser, mit kleinen weißen Gischtstrudeln, so weit das Auge reichte, als ob Meerjungfrauen durch Falltüren in die Oberwasserwelt kämen und den Schwärmen von Knurrhähnen zusähen, die sich um unsere Schiffe herum tummelten, während so viele fliegende Fische sich auf unser Deck verirrten, daß unsere Köche, die längst unsere Vorräte an Süßwasserfischen aus Manzi aufgebraucht hatten, sie einfach zusammensuchten und uns eine Mahlzeit daraus bereiteten.
Die Dame Kukachin fragte humorvoll: »Wenn diese Angamanam-Eingeborenen Mut bekommen, indem sie mutige Menschen verzehren -ob wir dann nach dem Genuß der fliegenden Fische wohl fliegen können?«
»Größer ist da die Wahrscheinlichkeit, daß wir riechen wie sie«, murmelte die Dienerin, die ihr in der Badestube zur Hand ging. Sie war verärgert, weil die Kapitäne befohlen hatten, wir könnten auf dieser Überfahrt nur in Meerwasser baden, das in Eimern an Bord gehievt werden mußte, um kein Süßwasser zu verschwenden. Salzwasser reinigt zwar durchaus, doch hinterher ist man stets zum Beinerweichen griesig, und das Jucken der Haut nimmt kein Ende.
3
Auf der Insel Srihalam gingen wir an der Westseite einer großen Bucht vor Anker. Das war nicht weit südlich von der Cholamandal-Küste Indiens, wo ich schon einmal geweilt hatte, und die Inselbewohner wiesen große Ähnlichkeit mit den Cholas auf. Wie die Cholas beschäftigten sich die Küstenbewohner der Insel vornehmlich mit der Perlentaucherei. Doch damit war die Ähnlichkeit auch schon beendet.
Die Bewohner der Insel Srihalam waren der Religion Buddhas treu geblieben und ihren Hinduvettern auf dem Festland daher in Dingen der Moral, der Sitten und Gebräuche, Lebhaftigkeit und persönlicher Reinlichkeit haushoch überlegen. Ihre Insel war ein bezaubernder Fleck Erde, friedlich, voll üppiger Vegetation und mit einem allgemein balsamischen Klima. Mir ist häufig aufgefallen, daß die schönsten Plätze auf der Erde eine Fülle von Namen haben; beispielhaft dafür der Garten Eden, der
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