Marco Polo der Besessene 2
auszumachen, was wir erwartet hatten eine glanzvolle Versammlung von Edelleuten, die gekommen war, ihre künftige Ilkhatun willkommen zu heißen.
»Sonderbar«, murmelte mein Vater. »Die Nachricht von unserem Kommen muß doch an der Küste vorausgeeilt sein. Und der Ilkhan Arghun muß doch inzwischen ziemlich ungeduldig und begierig geworden sein.«
Während er sich nun der wenig ermutigenden Aufgabe zuwandte, die Ausschiffung unserer ganzen Gesellschaft samt zugehörigem Gepäck zu beaufsichtigen, winkte ich einen karaji-Fährleichter heran, wehrte die zudringlichen Händler ab und war der erste, der an Land kam. Dort sprach ich einen intelligent aussehenden Bürger an und erkundigte mich, was los sei. Sodann ließ ich mich sofort zurückrudern zum Schiff, um meinem Vater und dem Abgesandten Uladai und der Dame Kukachin folgendes zu berichten:
»Vielleicht verschiebst du die Ausschiffung, bis wir uns besprochen haben. Es tut mir leid, daß ich die Nachricht überbringen muß, aber der Ilkhan Arghun ist schon vor vielen Monaten an einer Krankheit verstorben.«
Die Dame Kukachin brach in Tränen aus, die genauso aufrichtig waren, als wäre der Mann ihr langjähriger und vielgeliebter Gatte gewesen statt nur ein Name. Als ihre Dienerinnen sie in ihre Gemächer brachten und mein Vater nachdenklich an einem Zipfel seines Bartes kaute, sagte Uladai: »Vakh! Ich wette, daß Arghun im selben Moment starb, wo meine Mitabgesandten Koja und Apushka in Jawa umkamen. Wir hätten auf etwas Schlimmes gefaßt sein müssen.«
»Das hätte auch nichts geändert«, sagte mein Vater. »Die Frage ist: Was machen wir jetzt mit Kukachin?«
Ich sagte: »Nun, ein Arghun wartet jedenfalls nicht auf sie. Und sein Sohn Ghazan -auch das hat man mir an Land gesagt ist noch nicht volljährig und kann das Erbe des Khanats noch nicht antreten.«
»Das stimmt«, sagte Uladai. »Ich nehme an, solange führt sein Onkel Kaikhadu als Regent die Amtsgeschäfte.«
»Auch das hat man mir gesagt. Und entweder wußte dieser Kaikhadu nichts davon, daß sein verstorbener Bruder sich eine neue Frau kommen ließ, oder er hat nicht das geringste Interesse, sein Leviratsrecht auszuüben und sie für sich zu nehmen. Jedenfalls hat er ihr zum Empfang weder eine Abordnung entgegengeschickt, noch für ihre Weiterreise gesorgt.«
»Wie auch immer«, sagte Uladai. »Sie kommt von seinem Herrn Khakhan, folglich ist er verpflichtet, Euch von der Sorge für sie zu entbinden und sie selbst in Obhut zu nehmen. Wir bringen sie zur Hauptstadt in Maragheh. Und was die Weiterreise betrifft, Ihr tragt doch das pai-tzu des Khakhan. Wir brauchen dem Shah von Hormuz nur zu befehlen, uns alles Nötige zur Verfügung zu stellen.«
Und genau das taten wir. Der hier residierende Shah empfing uns nicht nur pflichtschuldigst, sondern ausgesprochen gastfreundlich und brachte uns alle in seinem Palast unter -der uns alle kaum fassen konnte -, ließ dann seine eigenen Kamele und wahrscheinlich alle anderen seines Herrschaftsbereichs zusammentreiben, belud sie mit Vorräten und Wasserschläuchen, stellte die nötigen Kameltreiber zur Verfügung, und so reisten wir nach wenigen Tagen über Land in nordwestlicher Richtung nach Maragheh.
Die Reise war genauso lang wie die Durchquerung Persiens, die mein Vater, mein Onkel und ich vor Jahren in westöstlicher Richtung hinter uns gebracht hatten. Diesmal jedoch, da es von Süden nach Norden ging, brauchten wir kein besonders schwieriges Gelände zu bewältigen, denn unsere Route führte weit westlich an der Großen Salzwüste vorüber. Auch hatten wir diesmal gute Reitkamele und reichlich Vorräte dabei, eine Menge Diener, jedes bißchen Arbeit für uns zu verrichten, und eine furchtgebietende Eskorte gegen jeden, der uns möglicherweise belästigen könnte. Infolgedessen war es eine wenig anstrengende, aber auch keine besonders lustige Reise. Die Dame Kukachin trug nichts von den Brautkleidern, die sie mitgebracht hatte, sondern jeden Tag Braun, die persische Trauerfarbe. Ihrem Gesicht war zumindest teilweise anzumerken, daß sie sich um ihr künftiges Schicksal durchaus sorgte, teilweise aber auch, daß sie sich damit bereits abgefunden hatte. Da alle anderen sie inzwischen ins Herz geschlossen hatten, bemühten wir uns, ihr die Reise so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten.
Der Weg führte uns durch eine Reihe von Ortschaften, in denen ich oder mein Vater oder mein Onkel - oder wir drei auch alle zusammen -früher
Weitere Kostenlose Bücher