Marco Polo der Besessene 2
Smaragde heraus. Ich hielt das nicht nur für eine glänzende Art der Edelsteingewinnung, sondern meinte auch, dies müsse der Ursprung all der Legenden über den riesigen Vogel Rock sein, der doch noch weit größere Fleischbrocken aufschnappen und damit davonfliegen soll, unter anderem mit Menschen und sogar Elefanten. Bei meiner Rückkehr aufs Schiff erzählte ich meinem Vater, er solle seine neuerworbenen Saphire nicht nur des ihnen innewohnenden Geldwertes wegen schätzen -denn wer sie ihm verschafft hätte, das sei der Vogel Rock der Legende gewesen.
Wir wären wohl gern noch länger in Srihalam geblieben, doch meinte die Dame Kukachin eines Tages sehnsüchtig: »Wir sind jetzt ein ganzes Jahr unterwegs, und der Kapitän sagt, wir hätten erst zwei Drittel des Wegs bis zu unserem Ziel hinter uns.«
Ich kannte die Dame mittlerweile gut genug, um zu wissen, daß es ihr nicht so sehr darum ging, nun endlich Ilkhatun von Persien zu werden. Ihr war nur daran gelegen, den ihr verlobten Gatten kennenzulernen und mit ihm vermählt zu werden. Schließlich war sie inzwischen ein Jahr älter geworden und immer noch Jungfrau.
Deshalb beendeten wir unseren Aufenthalt und legten von dieser freundlichen Insel ab. Vor der Westküste Indiens segelten wir nach Norden und kamen sehr rasch voran, zumal auch keiner von uns den Wunsch hatte, irgendeinen Teil dieses Landes zu besuchen und zu erforschen. An Land gingen wir nur, wenn unsere Wasservorräte ergänzt werden mußten -einmal in einem nicht gerade kleinen Hafen namens Quilon, dann wieder an einem an einer Flußmündung gelegenen Hafen namens Mangalore, wo wir der Sandbänke im Flußdelta wegen weit draußen auf der Reede ankern mußten, schließlich bei einer Siedlung, die sich über sieben Pickel Land erstreckte und Bombay-Inseln genannt wurde, und zuletzt in einem elendigen Fischernest namens Kurrachi.
Doch in Kurrachi gab es wenigstens wohlschmeckendes Wasser, so daß wir unsere Wasserbehälter bis obenhin füllten, denn von diesem Ort aus wollten wir geradenwegs nach Westen segeln; über eine Strecke von rund zweitausend li -oder sollte ich hier, wo persische Maße galten, lieber von rund dreihundert farsakhs sprechen -segelten wir die trockene, rehfarbene, sonnenverbrannte Küste eines leeren Landes entlang, das Baluchistan genannt wurde. Der Anblick dieses ausgeglühten Küstenstreifens wurde nur gelegentlich von zwei Dingen belebt, die typisch für diese Gegend waren. Das ganze Jahr über weht der Wind von Süden her nach Baluchistan hinein; sahen wir also einmal einen Baum, wuchs dieser unweigerlich landeinwärts gebogen wie ein Arm, der uns winkte, an Land zu gehen. Die andere Besonderheit dieser Küste waren die hier liegenden Schlammvulkane: stumpfe Kegel aus getrocknetem Schlamm, die ab und zu einen Schwall frischen Schlamms emporschleudern, der dann von der Spitze des Kegels herunterrutscht, allmählich austrocknet, einen neuen frischen Schwall erwartet und damit eine neue Schicht Schlamm über sich. Es war ein wirklich wenig einladendes Land.
Doch indem wir dieser Küste folgten, liefen wir schließlich in die Straße von Hormuz ein, die uns zu der gleichnamigen Stadt führte. Hormuz war eine sehr große, lebenssprühende Stadt mit so vielen Bewohnern, daß manche der Wohnviertel von dem auf dem Festland gelegenen Stadtzentrum auf die vor der Küste gelegenen Inseln überschwappten. Auch handelte es sich um Persiens geschäftigsten Hafen, einen Wald von Masten und Spieren, ohrenbetäubendem Krach und einer Fülle von Gerüchen, die meisten davon nicht gerade angenehm. Bei den hier vertäuten oder ein-und auslaufenden Schiffen handelt es sich selbstverständlich um arabische qurqurs, falukhas und dhaos, von denen die größten sich neben unseren großen Fahrzeugen ausnahmen wie dinghis oder praus. Zweifellos hatte man hier ab und zu schon eine Handels-chuan gesehen, ganz gewiß jedoch keine so große Flotte wie die, mit der wir jetzt einliefen. Sobald uns ein Lotse wichtigtuerisch an einen Liegeplatz gebracht hatte, wurden wir von Booten aller Art umringt, die besetzt waren mit Leuten, die uns etwas verkaufen, sich als Fremdenführer oder Hurenwirt andienen oder nur betteln wollten. Alle jedoch schrien laut durcheinander und priesen an, was sie zu bieten hatten. Offenbar hatte sich der gesamte Rest der Bevölkerung von Hormuz an den Quais versammelt, sperrte Mund und Nase auf und schnatterte erregt durcheinander. Doch vermochten wir unter dem Mob nichts
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