Marco Polo der Besessene 2
besiegelt wurden. Sollte Doris wirklich versucht haben, sich mit der ältesten weiblichen List der Welt vom popolàgo in die morel di mezo aufzuschwingen, tat das meiner Hocnachtung vor ihr genausowenig Abbruch wie der vor dem hübschen Ergebnis ihrer List. Wenn das der einzige Hinderungsgrund war, den Donata im Hinblick auf unsere Ehe fürchtete, so war er belanglos. Ich gelobte in diesem Augenblick zweierlei. Eines nur mir selbst, und ohne es auszusprechen: Ich nahm es auf meinen Eid, niemals in meiner Ehe eines der Geheimnisse meiner Vergangenheit preiszugeben und Donata mit nichts davon jemals zu belasten. Das andere versprach ich laut und setzte dabei ein sehr feierliches Gesicht auf: »Ich schwöre, liebste Donata, nie gegen Euch ins Feld zu führen, daß Ihr ein Achtmonatskind wart. Darin liegt keine Schande.«
»Ach, ihr älteren Männer seid so lobenswert nachsichtig menschlicher Schwäche gegenüber.« Möglich, daß ich bei diesen Worten innerlich zusammenzuckte, denn sie fügte noch hinzu: »Ihr seid ein guter Mann, Messer Marco.«
»Und Eure Mutter war eine gute Frau. Denkt nicht schlecht von ihr, daß sie auch eine entschlossene Frau war. Sie wußte, wie sie es anstellte, um ihren Willen durchzusetzen.« Ein wenig schuldbewußt erinnerte ich mich an ein kleines Beispiel. Und die Erinnerung daran ließ mich sagen: »Ich nehme an, daß sie Euch gegenüber nie erwähnt hat, mich gekannt zu haben.«
»Nicht, daß ich wüßte. Sollte sie das getan haben?«
»Nein, nein. Ich war damals niemand, der es wert gewesen wäre, erwähnt zu werden. Gleichwohl sollte ich gestehen…« Ich hielt inne. Gerade hatte ich geschworen, nie etwas preiszugeben, was mir in der Vergangenheit widerfahren war. Und ich konnte kaum berichten, daß Doris Tagiabue nicht als Jungfrau zu Lorenzo Loredano gekommen war, weil sie es zuvor mit mir getrieben hatte. Deshalb begnügte ich mich damit zu wiederholen:
»Eure Mutter hat es verstanden durchzusetzen, was sie für richtig hielt. Hätte ich Venedig damals nicht verlassen müssen,
es könnte sehr wohl sein, daß sie mich geheiratet hätte, wenn wir etwas älter gewesen wären.«
Donata machte einen hübschen Schmollmund. »Wie ungalant, so etwas zu sagen, selbst wenn es stimmt. Jetzt habe ich das Gefühl, nur zweite Wahl zu sein.«
»Und jetzt stehe ich in Euren Augen da wie jemand, der auf einem Markt stöbert. Ich habe Euch blindlings gewählt, liebes Mädchen. Ich hatte damit überhaupt nichts zu tun. Als ich Euch das erste Mal sah, sagte ich mir: ›Sie muß für mich auf diese Erde gesetzt worden sein.« Und als Ihr Euren Namen nanntet, da wußte ich es. Ich wußte, daß mir ein Geschenk gemacht worden war.«
Und das gefiel ihr, und damit war alles wieder in Ordnung.
Ein andermal während unserer Brautstandszeit, als wir wieder einmal beisammensaßen, legte ich ihr eine Frage vor: »Wie ist es mit Kindern, wenn wir erst mal verheiratet sind, Donata?«
Ein wenig verdutzt blickte sie mich an, als ob ich sie gefragt hätte, ob sie, wenn wir verheiratet wären, fortfahren würde zu atmen. Deshalb fuhr ich fort:
»Von einem Ehepaar wird selbstverständlich erwartet, daß es Kinder bekommt. Das ist der Lauf der Natur. Ihre Familien erwarten das, die Kirche, der Herrgott, die Gemeinde, in der man lebt. Doch trotz all dieser Erwartungen, es muß Menschen geben, die diesen Erwartungen nicht entsprechen wollen.«
»Zu denen gehöre ich nicht«, sagte sie, als beantwortete sie eine Frage aus dem Katechismus.
»Und dann gibt es welche, die einfach nicht können.«
Nach einem Augenblick des Schweigens sagte sie: »Willst du damit andeuten, Marco…?« Sie hatte inzwischen aufgehört, mich förmlich Messere Marco zu nennen. Sie wählte ihre Worte sorgfältig. »Willst du damit andeuten, Marco, du hättest auf deinen Reisen, nun ja, irgendeinen Unfall gehabt?«
»Nein, nein, nein. Ich bin heil und gesund und kann durchaus Vater werden, soweit ich weiß. Ich sprach vielmehr von jenen unglücklichen Frauen, die aus irgendeinem Grunde unfruchtbar sind.«
Den Blick abwendend, errötete sie, als sie sagte: »Dagegen kann ich nicht einfach mit ›nein, nein, nein‹ antworten, denn woher soll ich das wissen? Aber ich glaube, wenn du die Frauen, die kinderlos geblieben sind, zusammenzählst, wirst du feststellen, daß es zumeist blasse, zerbrechliche und schwermütige Edeldamen waren. Ich komme aus guter Bauernfamilie mit rotem Blut in den Adern, und wie jede christliche Frau hoffe ich
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