Marco Polo der Besessene 2
wenn er mündig würde. Ich dachte nur, Donata, die selber noch so jung war, könne sich im Laufe unserer gemeinsamen Ehe durchaus verändern. »Ich verspreche es, Donata. Solange Kinder im Haus sind und sofern du nicht etwas anderes beschließt, werde ich zu Hause bleiben.«
Und im ersten Jahr des neuen Jahrhunderts, im Jahre eintausenddreihundertundeins, wurden wir getraut.
Alles verlief so, wie es sich gehörte und wie es Sitte und Brauch war. Als unsere Brautzeit nach allgemeiner Auffassung lang genug gewährt hatte, trafen Donatas Vater und meiner sowie ein Notar in der Kirche San Zuàne Grisostomo zusammen, um die Feier der impalmatura zu begehen. Jeder für sich las den Ehevertrag durch und unterzeichnete ihn, nicht anders, als wäre ich ein schüchterner und etwas tölpelhafter Bräutigam, der noch nicht ganz trocken war hinter den Ohren wo in Wahrheit ich es gewesen war, der mit Hilfe des Anwalts der Compagnia den Ehevertrag aufgesetzt hatte. Am Schluß der impalmatura streifte ich Donata den Verlobungsring über. An den nun folgenden Sonntagen verlas Pare Nardo von der Kanzel herab das Aufgebot, heftete es an die Kirchentür, und niemand kam, um Einwände gegen die geplante Eheschließung zu erheben. Dann holte Dona Lisa einen Mönchsschreiber mit ausgezeichneter Handschrift ins Haus, die parteapazioni di nozze -die Hochzeitseinladungen -zu schreiben, und ließ diese zusammen mit dem traditionellen Päckchen confèti-Mandeln durch livrierte Diener an alle geladenen Gäste austragen. Jeder, der in Venedig etwas galt, gehörte dazu. Da es umständliche Gesetze gab, welche die Extravaganzen bei den Feiern der meisten Familien beschnitten, erteilte der Doge Gradenigo uns huldvoll eine Ausnahmeregelung. Und als der Tag kam, wurde daraus eine Art Volksfest, das die ganze Stadt einschloß -nach der Trauungsmesse, dem Bankett und der Schlemmerei, der Musik, dem Tanz und dem Gesang, den Trinksprüchen und den obligaten betrunkenen Gästen, die in den Corte-Kanal fielen, und nachdem confèti und coriàndoli ausgestreut waren. Nachdem all das, was Donatas und meine Anwesenheit erforderte, vorüber war, gaben die Brautjungfern ihr die donara: für einen Moment legten sie ihr ein ausgeborgtes Baby in die Arme und steckten ihr eine Goldzechine in den Schuh -Symbole, die bedeuteten, daß sie unsäglich mit Fruchtbarkeit und Reichtum gesegnet werden sollte -, und dann verließen wir das immer noch lärmende Fest und begaben uns ins Innere der Ca' Polo, das von allen Menschen bis auf die Dienerschaft verlassen war; die Familie blieb bei Freunden, solange unser Honigmond dauerte.
Und in unserer Schlafkammer, als wir allein waren, entdeckte ich in Donata noch einmal Doris, denn ihr Leib war von demselben Milchweiß, geschmückt von denselben kleinen Spitzen, rosig wie Muscheln. Abgesehen davon, daß Donata eine erwachsene und vollständig entwickelte Frau war und ein goldenes Vlies besaß, das dies bewies, war sie das Ebenbild ihrer Mutter, bis hin zu dem, was ich einst mit den ›Damenlippen‹ genannten Muscheln verglichen hatte. Vieles sonst auch war eine Wiederholung eines geraubten Nachmittags vor vielen, vielen Jahren. Wie ich damals getan, brachte ich es Donata jetzt bei, indem ich zunächst damit begann, ihre wie Muscheln rosigen Brustspitzen zu einem leuchtenden Korallenrot zu entflammen. Doch an dieser Stelle möchte ich wieder den Vorhang vor der ehelichen Gemeinsamkeit herunterlassen, wenn auch etwas verspätet, habe ich doch bereits alles gesagt -denn was in dieser Nacht geschah, war kaum anders als das, was an jenem Nachmittag vor langer, langer Zeit geschehen war. Und diesmal entzückte es uns beide. Auf die Gefahr hin, alten Zeiten gegenüber treulos zu erscheinen, möchte ich sogar sagen, daß dieses sogar noch köstlicher war als das erste Mal; denn diesmal taten wir es nicht in Sünde.
7
Als es zu Donatas Niederkunft kam, war ich daheim, im Haus, ganz nahe, zum Teil des Versprechens wegen, das ich ihr und den noch ungeborenen Kindern gegeben hatte, zum Teil auc h wegen der Erinnerung an ein anderesmal, da ich unverzeihlicherweise nicht dagewesen war. Selbstverständlich wollten sie mich nicht in Donatas Kammer hineinlassen, doch ich sehnte mich auch nicht gerade danach dabeizusein. Aber ich hatte alles Erdenkliche getan, alles für das Ereignis vorzubereiten, und hatte sogar den weisen Arzt Piero Abano in Dienst genommen, dem ich viel Geld dafür bezahlt hatte, daß er alle seine anderen Patienten
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