Marco Polo der Besessene 2
einem anderen mèdego überließ und nichts weiter tat, als sich die ganze Schwangerschaft über um Donata zu kümmern. Früh schon bestand er auf einer Sieben-Elemente-Regel: richtiges Essen und Trinken, abwechselnd Bewegung und Ruhe, Aufsein und Schlafen, Stuhlentleerung und Verhaltung, frische Luft tagsüber und nachts geschlossene Fenster und ›möglichst keine Leidenschaften der Nacht‹. Ob wir es mehr diesen Vorschriften zu verdanken hatten oder Donatas ›gutem bäuerlichen Blut‹ - jedenfalls gab es keine Schwierigkeiten im Kindbett. Dotôr Abano und seine beiden Hebammen sowie meine Stiefmutter kamen alle gemeinsam, um mir zu sagen, Donatas Wehen seien leicht verlaufen und die eigentliche Geburt wie das Herausdrücken eines Orangenkerns. Sie mußten mich wachrütteln, um es mir beizubringen, denn ich hatte wieder meine eigenen Erfahrungen in Buzai Gumbad durchlitten, und um es mir zu erleichtern, drei oder vier Flaschen Barolo getrunken und war dann in gesegnetes Vergessen gesunken.
»Tut mir leid, daß es kein Junge ist«, murmelte Donata, als sie mich zu ihr ließen, damit ich zum ersten Mal einen Blick auf unsere Tochter werfe. »Ich hätte es wissen müssen. Dazu waren Schwangerschaft wie Wehen viel zu leicht. Nächstesmal will ich mehr auf das hören, was die alten Frauen sagen: ein bißchen länger Wehen ertragen und dafür einen Jungen zur Welt bringen.«
»Pst, pst!« machte ich. »Jetzt bin ich der glückliche Empfänger zweier Geschenke.«
Wir nannten sie Fantina.
Wiewohl Donata von Anfang unserer Beziehung an immer auf der Hut davor war, daß ich irgendwelche ›unchristlichen Gedanken‹ in unsere Familie hineinbrachte, gelang es mir, sie davon zu überzeugen, daß manche fremdländischen Sitten durchaus etwas für sich hatten. Damit meine ich nicht die Dinge, die ich ihr im Bett beibrachte. Donata war bei unserer Heirat Jungfrau, deshalb konnte sie nicht unterscheiden, ob das, was wir taten, venezianisch oder exotisch, allgemein üblich oder etwas Besonderes war. Aber ich lehrte sie zum Beispiel auch, sich wie die Han-Frauen innerlich wie äußerlich sauberzuhalten. Das setzte ich ihr schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt unserer Ehe mit dem größten Zartgefühl auseinander, und sie begriff die Vorteile der unchristlichen Badegewohnheit und übernahm sie. Nach Fantinas Geburt bestand ich darauf, daß auch das Kind häufig gebadet und -als sie älter wurde -auch Spülungen an ihr vorgenommen wurden. Donata zeigte sich für kurze Zeit widerspenstig und sagte:
»Baden, ja. Aber innerlich spülen? Das mag für eine bereits verheiratete Frau angehen, aber es würde Fantinas Jungfernhäutchen in Mitleidenschaft ziehen. Sie würde dann nie beweisen können, daß sie noch Jungfrau war.«
Ich sagte: »Meiner Meinung nach schmeckt man die Reinheit am besten am Wein selbst, nicht an dem Wachssiegel auf der Flasche. Lehre Fantina, den Körper sauber und süß zu halten, und ich glaube, ihre innere Einstellung wird es auch bleiben. Jeder, der mal ihr Mann wird, wird diese Eigenschaft an ihr erkennen und keinen physischen Beweis dafür verlangen.«
So fügte Donata sich, und ich wies Fantinas Kindermädchen an, sie häufig und gründlich zu baden; dieselben Anweisungen erhielt jede Nena, die später zu uns ins Haus kam. Einige waren zunächst erstaunt und reagierten mit kritischer Abweisung, doch nach und nach fand das Baden auch ihre Billigung, und ich glaube, sie verbreiteten in Dienstbotenkreisen, daß unchristliche Sauberkeit nicht, wie allgemein angenommen wurde, den Kopf krank mache, denn mit der Zeit wurden die Venezianer beiderlei Geschlechts und aller Altersstufen wesentlich sauberer, als sie es früher gewesen waren. Allein dadurch, daß ich diese eine Gepflogenheit der Han bei uns einführte, habe ich vermutlich viel dazu beigetragen, die Venezianer zu besseren Menschen zu machen - zumindest äußerlich.
Unser zweites Kind kam fast auf den Tag genau ein Jahr später zur Welt, auch ohne Schwierigkeiten, nur nicht am selben Ort. Der Doge Gradenigo hatte mich eines Tages kommen lassen und mich gefragt, ob ich das Amt eines Konsuls übernehmen würde, und zwar in Brügge. Dazu aufgefordert zu werden, stellte eine große Ehre dar. Ich hatte inzwischen gute Gehilfen und Mitarbeiter herangezogen, sich während meiner Abwesenheit um die Compagnia Polo zu kümmern, und in Brügge konnte ich auch manches tun, das für die Compagnia von Vorteil war. Doch sagte ich nicht auf der Stelle zu. Wiewohl
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