Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
gegenüberstehenden Bänken niederließen und die Mädchen Fächer holten, uns Kühlung zuzufächeln, erkannte ich, daß sie Zwillinge waren, sich zum Verwechseln ähnlich sahen und auch noch dieselbe Tracht trugen. Ich mußte sie unbedingt anweisen, sich unterschiedlich zu kleiden, dachte ich, sonst lernte ich nie, sie auseinanderzuhalten. Und in unbekleidetem Zustand? Auch dieser Gedanke kam mir ganz natürlich, doch wies ich ihn von mir, um dem Prinzen zuzuhören, der erst einen tiefen Schluck aus seinem Becher nahm, um dann weiterzureden.
    »Mein Vater hat, wie Ihr wißt, vier Frauen. Eine jede empfängt ihn abwechselnd in ihrer yurtu, doch…«
    »In ihrer yurtu?« fiel ich ihm ins Wort.
    Er lachte. »Ja, so nennt man es, obwohl kein einfacher Steppenmongole sie als solche anerkennen würde. In den alten Nomadentagen hielt ein Mongolenfürst seine Frauen über sein Territorium verstreut, wißt Ihr, jede in ihrer eigenen yurtu, auf daß er nie eine frauenlose Nacht zu verbringen brauchte, gleichgültig, wohin er ritt. Heutzutage ist die sogenannte yurtu einer jeden Gattin ein prächtiger Palast innerhalb dieser Palastanlage - und zwar einer von vielen Menschen bevölkerten Palastanlage, mehr ein bok als eine yurtu. Vier Gattinnen, vier Paläste. Allein meine Mutter gebietet über einen Hofstaat von mehr als dreihundert Personen. Hofdamen und Dienerinnen, Ärzte und Diener, Friseure und Sklaven, Garderobenfrauen und Astrologen… Aber eigentlich habe ich Euch ja das mit den Karat erklären wollen.«
    Er hielt inne und führte die Hand ganz leicht an die Stirn; dann nahm er noch einen Schluck aus dem Becher, ehe er fortfuhr: »Ich denke, mein Vater ist jetzt in einem Alter, wo vier Frauen, die einander abwechseln, ihm genügen würden, selbst hochgeborene Frauen, die gleichfalls nicht mehr die jüngsten sind. Nur ist es eine uralte Sitte in allen Landen, die ihm untenan sind - bis weit nach Polen und die India Aryana hinein -, ihm jedes Jahr die schönsten der gerade mannbar gewordenen Jungfrauen zu schicken. Er kann sie unmöglich alle zu seinen Kebsweibern machen, nicht einmal zu seinen Dienerinnen; aber er kann auch seine Untertanen nicht vor den Kopf stoßen, indem er ihr Geschenk regelrecht zurückweist. Deshalb läßt er das Jahreskontingent an Mädchen bis auf eine Anzahl aussieben, mit der er etwas anfangen kann.« Chingkim leerte seinen Becher und reichte ihn, ohne hinzusehen, über die Schulter zurück; dort nahm ihn Biliktu-oder-Buyantu und trug ihn hinaus. »Jedes Jahr«, nahm er den Faden wieder auf, »wenn die Jungfrauen den verschiedenen Ilkhans oder Wangs in den verschiedenen Ländern und Provinzen übergeben werden, sehen diese sich die Mädchen genau an und bewerten sie, als wären sie Goldbarren. Je nach der Qualität ihrer Gesichtszüge und Körperformen, ihre Haut-und Haarfarbe, ihrer Stimme, der Anmut ihres Ganges und so weiter, wird sie als vierzehnkarätig eingestuft -oder als sechzehn- oder siebzehnkarätig oder noch höher, je nachdem. Hierher nach Khanbalik geschickt werden überhaupt nur solche über sechzehn Karat, und nur diejenigen, die dem Feingehalt reinen Goldes gleichgesetzt werden, haben eine gewisse Hoffnung, in die Nähe des großen Khakhan zu kommen.«
    Obwohl Chingkim das lautlose Näherkommen meiner Dienerin nicht gehört haben konnte, hob er die Hand, und sie kam gerade rechtzeitig, um ihm den wieder gefüllten Becher in die Hand zu drücken. Er schien nicht im mindesten überrascht, ihn zu bekommen - als ginge er völlig selbstverständlich davon aus, daß er das sein würde -, nahm einen großen Schluck und fuhr dann fort: »Selbst die vergleichsweise wenigen Mädchen von vierundzwanzig Karat müssen erst eine Zeitlang mit älteren Frauen hier im Palast zusammen wohnen. Die alten Frauen nehmen sie nun ganz genau unter die Lupe, insbesondere ihr nächtliches Verhalten. Schnarchen die Mädchen im Schlaf, oder wälzen sie sich unruhig im Bett hin und her? Haben sie beim Erwachen strahlende Augen und einen frischen Atem? Dann erst, auf Empfehlung dieser alten Frauen, macht mein Vater ein paar von ihnen zu seinen Konkubinen für das nächste Jahr und andere zu seinen Dienerinnen. Den Rest verteilt er je nach Karat an seine Minister und treuesten Höflinge. Ihr könnte Euch glücklich schätzen, Marco, plötzlich in so hohem Ansehen bei ihm zu stehen, daß Ihr diese zweiundzwanzigkarätigen Jungfrauen verdient.«
    Er hielt inne und lachte wieder. »Ich weiß nicht recht, warum

Weitere Kostenlose Bücher