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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Stufen hinunter, die in die Erde hinabführten, dann eine lange Strecke durch unterirdische Werkstätten, in denen emsige Handwerker bei der Arbeit waren, durch Lagerkeller, Holz-und Getränkekeller. Als Chingkim uns durch eine Reihe fackelerhellter, aber gähnend leerer Räume hindurchführte, deren Wände feucht waren und Schimmelflecken aufwiesen, hielt er inne, um mit einem Unterton, der mir klarmachte, daß die Worte genausosehr für mich bestimmt waren, Nasenloch zu sagen:
    »Benutze nie wieder das Wort Folter, Sklave. Der Liebkoser ist ein empfindsamer Mann. Er verabscheut derlei grobe Ausdrücke und entsetzt sich vor ihnen. Selbst wenn etwas so wichtig ist, daß es sich als nötig erweist, jemandem die Augäpfel herauszuholen und ihm glühende Kohlen in die Augenhöhlen zu setzen - nenn es, wie du willst, bloß nicht Folter. Nenn es meinetwegen Verhör, nenne es Liebkosung, nenne es Kitzeln -nur sage nie Folter -, sonst könnte es sein, daß, solltest du selbst einmal vom Liebkoser geliebkost werden müssen, dieser sich daran erinnert, wie respektlos du von seinem Beruf gesprochen hast.«
    Nasenloch schluckte nur vernehmlich, aber ich sagte: »Ich verstehe. In christlichen Kerkern wird diese Praxis formal Peinliche Befragung Dritten Grades genannt.«
    Zuletzt führte Chingkim uns in einen Raum, der bis auf die Fackelbeleuchtung und die feuchten Felswände so aussah wie das Kontor eines reichen Kaufmannshauses. Er stand voll von Schreibpulten, an denen Schreiber mit großen Nachschla gebüchern und Dokumentensammlungen, Rechenmaschinen und den Dingen beschäftigt waren, die offenbar zum Einerlei eines wohlfunktionierenden Unternehmens gehören. Mochte es auch ein menschliches Schlachthaus sein, es war immerhin ein ordentliches Schlachthaus.
    »Der Liebkoser und seine Helfer sind Han«, sagte Chingkim leise zu mir. »Sie verstehen sich auf diese Dinge soviel besser als wir.«
    Offenbar konnte nicht einmal der Kronprinz ohne weiteres Zugang zum Reich des Liebkosers verlangen. Wir drei warteten, bis einer der Han-Schreiber, der großgewachsene und strenggesichtig ausdruckslose Oberschreiber, sich herabließ, sich uns zu nähern. Er und der Prinz redeten eine Weile in der Han-Sprache, dann dolmetschte Chingkim für mich:
    »Der Mann namens Donduk wurde erst einer Peinlichen Befragung Ersten Grades unterzogen, doch als er sich weigerte, irgend etwas preiszugeben, was er über seinen Herrn Kaidu wußte, wurde er, wie Ihr es ausgedrückt habt, der Peinlichen Befragung Dritten Grades unterworfen, bis an die Grenzen dessen, was dem Liebkoser einfiel. Er blieb jedoch verstockt, und so wurde er -was dem stehenden Befehl meines Vaters in solchen Fällen entspricht -dem Tod der Tausend überantwortet. Sodann wurde der Mann namens Ussu gebracht. Auch er blieb bei der Peinlichen Befragung auch des Dritten Grades noch standhaft, und so wird auch er dem Tod der Tausend überantwortet werden. Den Tod haben sie verdient, denn schließlich üben sie ihrem obersten Herrscher, meinem Vater, gegenüber Verrat. Aber« -und das sagte er mit einem gewissen Stolz »dafür sind sie ihrem Ilkhan gegenüber treu geblieben; sie sind hartnäckig und sie sind mutig. Sie sind echte Mongolen.«
    Ich sagte: »Was, bittschön, ist der Tod der Tausend? Tausend was?«
    Und wieder sagte Chingkim mit einem bestimmten Unterton: »Marco, nennt es den Tod durch tausend Liebkosungen, durch tausend Grausamkeiten, durch tausend Reize -was spielt es für eine Rolle? Bekommt ein Mensch tausend von irgendwas dieser Art, wird er sterben. Die Bezeichnung besagt nur: ein in die Länge gezogenes Sterben.«
    Ganz offensichtlich legte er mir nahe, die Sache nicht weiter zu verfolgen, doch ließ ich nicht locker. Ich sagte: »Donduk hat
    mir nie etwas bedeutet. Ussu hingegen war ein höchst angenehmer Reisegenosse. Ich würde gern wissen, wie seine Reise endet.«
    Chingkim verzog das Gesicht, wandte sich jedoch noch einmal an den Oberschreiber. Der Mann schien verwundert und setzte eine zweifelnde Miene auf, verließ den Raum jedoch durch eine eisenbeschlagene Tür.
    »Nur mein Vater oder ich dürfen an so etwas auch nur denken«, murmelte Chingkim. »Und selbst ich muß dem Liebkoser furchtbar schmeicheln und mich zerknirscht zeigen, ihn bei seiner Arbeit unterbrochen zu haben.«
    Nun erwartete ich, daß der Oberschreiber mit einem Ungeheuer, einem breitschultrigen, mit mächtigen Armmuskeln bepackten, niedrig-stirnigen und schwarzgewandeten Kerl wie dem

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