Marcos Verlangen
äußeren Erscheinung zu passen.
Die nächsten zwei Stunden brachte er ihnen die allerersten Grundlagen bei. Die verschiedenen Bleistifte und ihre Einsatzfähigkeit je nach Härtegrad; Farbstifte, Zeichenkohle, Rötel und Kreiden. Die Papiere und Untergründe, die dafür geeignet waren. Wie man Zeichnungen am besten fixierte, wie man Papier auf einem Untergrund festspannte.
Dann war es halb elf.
„Pause. Wir sehen uns in zwanzig Minuten wieder – Ballarin, du bleibst bitte noch einen Moment, ich brauche eine Unterschrift von dir!“
Während er sich abwandte und seine verschiedenen Bögen an Zeichenpapier ordnete, die er der Anschaulichkeit halber herumgereicht hatte, stand Ella auf und ging nach vorne.
Dann endlich wandte er sich um und sah auf. Der Stift fiel ihm aus der Hand, die Teilnehmerliste ebenfalls. Einen Moment lang starrte er sie ungläubig an, als verstehe er nicht so recht, was da gerade vorging. Ella lächelte entschuldigend und bückte sich zu den Sachen auf dem Boden. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie seine Reaktion als reichlich befremdlich empfand - beinahe hatte es den Anschein, als erschrecke ihn ihr Anblick.
„Tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin.“
Sie reichte ihm Stift und Blatt. Schließlich schien er aus seiner Starre zu erwachen und nahm hastig seine Unterlagen entgegen.
„Danke! Also, äh, vielleicht kannst du dich dazu aufraffen, die nächsten Tage fünf Minuten früher aufzustehen“, meinte er endlich mit belegter Stimme. „Ich mag es nicht besonders, wenn jemand unpünktlich ist.“
Sie war erleichtert und schenkte ihm ein vorsichtiges Lächeln.
„Ich auch nicht“, bestärkte sie ihn, „und es tut mir ja auch wirklich leid, aber ich bin in der Küche aufgehalten worden, als ich das Frühstück absagen wollte, um nicht zu spät zu kommen. Antonella hat das leider nicht gelten lassen und das hab ich nun davon.“
„Na gut.“ Immer noch hörte er sich nicht ganz überzeugt an. „Wenn Antonella dich aufgehalten hat, dann sei es dir verziehen!“ Nun bedachte er sie mit einem ungeschickten Lachen. „Also dann, mach du auch Pause“, forderte er sie auf, während er sich wieder seinem Pult zuwandte.
„Sagtest du nicht, du bräuchtest eine Unterschrift?“, erinnerte sie ihn.
„Ah ja, hier!“
Er drehte sich hastig wieder zu ihr um. Offensichtlich brachte ihn irgendetwas aus dem Konzept.
Sie unterschrieb neben ihrem Namen und gab ihm den Stift zurück. Dabei fing sie einen merkwürdig intensiven Blick auf, oder wenigstens kam es ihr so vor. Was war los mit diesem Kerl? Etwas irritiert verabschiedete sie sich mit einem Nicken in die Pause.
Wenige Minuten später versammelte sich der Kurs wieder vollzählig und Angelo fuhr fort mit seinem Stoff.
„Machen wir weiter mit Lavierung und Aquarell. Das Aquarell mag ich persönlich lieber, denn so kann ich von einer durchscheinenden Skizze, die man nur als zarte Ahnung auf dem Papier erkennt, bis hin zum vollständigen und farbenglühenden Kunstwerk alles erschaffen, was mir meine Fantasie erlaubt“, erläuterte er lebhaft. „Ich mag das Aquarell auch viel lieber als die Gouache, weil ich hier feiner arbeiten kann und weil es deshalb auch viel zarter und sensibler wirkt. Aber euch hier in diesem Kurs will ich natürlich keine Technik aufzwingen, ihr sollt das wählen, was euch am meisten liegt.“
Ella fragte sich kurz, wie sie sich wohl anstellen würde, aber das würde sie ja schon bald herausfinden. Sie fühlte sich ziemlich unsicher. Seit ihrer Schulzeit hatte sie keine Malsachen mehr in der Hand gehabt und sie war ja eigentlich nur hier, um sich auf ihre Tätigkeit für Marco vorzubereiten und vielleicht etwas über diesen geheimnisvollen Maler herauszufinden. Wichtig war ihr vor allen Dingen, ein Gespür dafür zu bekommen, was da so alles in den Schubladen und Schränken von Marcos Landhaus herumlag. Sie hatte erst einen flüchtigen Blick auf die vielen Stapel an Zeichnungen und Skizzen werfen können und war immer noch der Verzweiflung nahe bei dem Gedanken an die viele mühsame Kleinarbeit, die vor ihr lag.
Sie horchte auf, weil die Gruppe langsam unruhig wurde, und sah auf die Uhr. Erstaunt stellte sie fest, dass es Zeit für die Mittagspause war.
„Das Pastell behandeln wir dann am Nachmittag“, hörte sie ihn verkünden, ehe er sich umdrehte und die Gruppe in die Mittagspause entließ. Seine schlechte Laune schien sich etwas gelegt zu haben.
Der Nachmittag verflog ebenso schnell wie
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