Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann
kriechen konnte, halbe Kinder und deren Großväter. Die Goldfasane haben sich nicht mehr die Mühe gemacht, noch groß Rekrutierungslisten anzulegen.“
„Warum haben Sie mich nicht gleich von vornherein damit abgespeist?“
„Nur so ein Gefühl. Ich glaube, dieses Archiv hat fünfzig Jahre auf einen wie Sie gewartet.“
Ich hinterließ meine Karte und diese Erwartung.
Im Lesesaal fand ich ein Harlander Einwohnerverzeichnis vom Dezember 1946 und darin die zwölf Familiennamen Bauer, Christ, Dallinger, Gradler, Heider, Krenn, Resch, Sauer, Steiner, Strunz, Woran und Zrenner. Der Name des dreizehnten Mannes mußte auch darin stehen, einer von zigtausenden Einträgen, anonym in der Masse.
XVII
Schon aus Kostengründen bin ich nicht ans Internet angeschlossen, und bei der Polizei hatte ich meinen PC vor allem als Ablagefläche für Schlüssel, Schnitzelsemmeln und Zeitungen benützt. Alles, was ich in puncto Datenhighway für meine Arbeit brauche, ist etwas Kleingeld und eine nicht von Vandalen zertrümmerte Telefonzelle. Das Stadtarchiv verlassend, hatte ich gleich am Rathausplatz diesbezüglich Glück. Sogar der erste Band des Telefonbuches war noch vorhanden. An der linken Glasscheibe klebte etwas Spucke oder Sperma, aber sonst war die Zelle geradezu peinlich sauber. Der Apparat nahm zwar keine Ein-Schilling-Münzen, aber immerhin Fünfer und sogar Zehner. Eben Glück gehabt.
„Arbeitsamt.“ Eine zähe Frauenstimme. Im Hintergrund wurde mit Kaffeegeschirr geklappert.
„Dr. Miert mein Name. Ich möchte eine Putzfrau beschäftigen.“
„Da sind Sie bei mir falsch.“
„Falsch? Beim Arbeitsamt?“ Mein Einspruch bewirkte nur, daß ich auf eine andere Klappe geschaltet wurde. Mozart plätscherte aus der Leitung. Mozart beruhigt.
„Arbeitsamt.“ Eine weitere Frauenstimme. Putzmunter wie ein Koalabär mit Schilddrüsen-Unterfunktion.
„Ich möchte eine Raumpflegerin einstellen.“
„Wofür?“
„Wofür? Na, zum Putzen selbstverständlich.“
„Ich meine: für einen Betrieb oder privat? An Private vermitteln wir nämlich nicht.“
„Für den Psychosozialen Dienst. Zwanzig Stunden in der Woche. Es ist mir auch schon eine Dame empfohlen worden. Holzapfel war der Name, Emma, glaube ich. Vielleicht könnten Sie mir ein paar Referenzen heraussuchen, ja?“
„Wie schreibt man Holzapfel?“
„Wie die Steinbirne.“
„Einen Moment.“
Der Moment dehnte sich zu Minuten. Ich war den letzten Fünfer ein und sandte ein Stoßgebet gen Himmel.
„Hallo, sind Sie noch dran?“
„Wie der Schwanz am Hund.“
„Ihre Frau Holzapfel wird bei uns seit acht Jahren als nicht mehr vermittelbar geführt. Letzte Adresse, auch schon nicht mehr ganz taufrisch: Jahnstraße 17. Bezieht Sondernotstandshilfe auf ein Konto, erstklassige Kandidatin für die Frühpension in einem Jahr. Wollen Sie die wirklich anstellen?“
„Wer war ihr letzter Arbeitgeber? Vielleicht kann mir der Referenzen geben?“
„Den hat der Computer sicher schon längst gelöscht, die Frau hat wie gesagt vor acht Jahren zum letzten Mal gearbeitet.“
Ich gebrauchte einen Ausdruck, den Waldviertler Bauern gerne verwenden, wenn ihnen der eigene Traktor über die Zehen rollt. Zur Strafe wurde ich wieder einmal auf einen anderen Anschluß umgelegt.
„Arbeitsamt.“ Eine Männerstimme mit für diese Tageszeit erstaunlich viel Restalkohol im fettigen Timbre.
„Der ganze verdammte Laden fliegt in zwei Minuten in die Luft“, sagte ich und legte auf.
Diese Spur war so kalt wie eine Hundeschnauze. Emma Holzapfel hatte schwarz gearbeitet, dabei das Video gedreht und war zu Wohlstand und dann zu Tode gekommen. Ihr letzter Arbeitgeber und ihr Mörder waren ein und dieselbe Person, oder es gab eine Verbindung zwischen beiden, aber ich war unfähig, eines der beiden Enden des Fadens in die Hand zu bekommen. Mir blieb nur noch Salek, oder die Sache war zu Ende. Ich wählte seine Nummer.
„Pavillon 13, Zenz.“ Salomes Stimme. Nicht ganz so hart wie Granit.
„Ich kann Ihren Körper einfach nicht vergessen. Was raten Sie mir?“
„Dr. Salek ist verschwunden. Ich habe die Polizei davon informiert, daß Sie wahrscheinlich damit zu tun haben. Ich hoffe, man springt so hart mit Ihnen um, wie ich es gerne tun würde.“
Salome legte einfach auf.
Ohne Salek war die Sache zu Ende, und ich konnte meinen Wagen von der Wäscherei holen und nach Hause fahren, um auf die vor Mißerfolg grünen Wände zu starren.
XVIII
„Wir haben uns - Ihr
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