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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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wollte. Stuart hatte
sogar damit gedroht, Charles zu erschießen oder Scarlett oder sich selbst oder
alle drei. Es war höchst aufregend gewesen.
    »Suellen?«
fragte Melly und lächelte freudig. »Aber ich dachte, Mr. Kennedy ... «
    »Der?«
sagte Gerald, »ja, er katzbuckelt immer noch um sie herum und hat Angst vor
seinem eigenen Schatten. Wenn er nicht bald selber mit der Sprache herausrückt,
frage ich ihn nächstens, was er eigentlich vorhat. Nein, dies gilt meiner
Kleinen.«
    »Carreen?«
    »Aber sie
ist doch noch ein Kind«, sagte Scarlett scharf. Sie hatte ihre Sprache
wiedergefunden.
    »Sie ist
nur ein gutes Jahr jünger, als du bei deiner Hochzeit warst, mein Kind«, gab
Gerald zurück. »Gönnst du deiner Schwester deine alten Verehrer nicht?«
    Melly, der
solche Offenheiten äußerst peinlich waren, wurde rot und gab Onkel Peter ein
Zeichen, daß er den süßen Kartoffelauflauf hereinbringe. Verzweifelt suchte sie
in ihrem Hirn nach einem Gesprächsthema, das nicht so persönlich, aber doch
geeignet wäre, Mr. O'Hara von seinem eigentlichen Reisezweck abzulenken. Ihr
fiel nichts ein. Nachdem aber Gerald einmal im Gange war, brauchte er zu seiner
Anregung nichts weiter als Zuhörer. Er redete sich in Zorn über die diebische
Intendantur, die jeden Monat höhere Forderungen stellte, über Jefferson Davis'
schuftige Dummheit und die Schäbigkeit der Iren, die sich durchs Handgeld
verlocken ließen, in das Heer der Yankees einzutreten.
    Als der
Wein auf dem Tisch stand und die beiden Mädchen sich erhoben, um den alten
Herrn allein zu lassen, warf er hinter zusammengezogenen Brauen seiner Tochter
einen strengen Blick zu und befahl sie zu einer kurzen Unterhaltung unter vier
Augen. Während Scarlett ihr verzweifelt nachsah, ging Melly, hilflos an ihrem
Taschentuch zerrend, hinaus und schloß leise die Flügeltür.
    Gerald
schenkte sich ein Glas Portwein ein. »Also, mein Kind, das ist ja eine hübsche
Geschichte! So kurz erst Witwe und schon auf den zweiten Mann aus!«
    »Nicht so
laut, Pa, die Dienstboten ... «
    »Die
wissen längst alles. Jeder weiß von deiner Schande. Deine arme Mutter liegt
deswegen zu Bett, und ich mag mich nirgends mehr sehen lassen. Schmählich ist
es. Nein, Puß, diesmal kommst du mir nicht mit Tränen davon.« Zwischen seinen
hastigen Worten wurde eine gelinde Panik wahrnehmbar, als Scarletts Lider zu
beben und ihr Mund zu zucken begann. »Ich kenne dich. Du würdest noch unter den
Augen deines eigenen Mannes flirten. Nicht weinen! Nun, nun, ich will heute
abend nichts mehr sagen. Ich suche jetzt den famosen Kapitän Butler auf, der es
mit dem Ruf meiner Tochter so leicht nimmt. Aber morgen früh - Nicht weinen,
das hilft dir gar nichts, nicht das geringste. Ich bleibe fest, und morgen
kommst du wieder mit mir nach Tara, ehe du uns noch alle in Verruf bringst.
Nicht weinen, Kindchen. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe, ist das nicht
ein schönes Geschenk? Sieh doch her! Wie konntest du mir nur so viel Plage
machen und mich den ganzen langen Weg hierher fahren lassen? Ich habe doch so
viel um die Ohren. Nicht weinen!«
     
    Melanie
und Pittypat schliefen schon seit mehreren Stunden, Scarlett aber, mit ihrem
schweren angstvollen Herzen, lag noch immer wach in der wannen Dunkelheit. Nun,
wo das Leben gerade wieder anfing, sollte sie Atlanta verlassen, heimfahren und
vor Ellens Angesicht treten! Lieber wollte sie auf der Stelle sterben, dann
würden sie es alle bereuen, daß sie so hart gegen sie gewesen waren. Sie drehte
und wälzte sich auf den heißen Kissen, als von fernher aus der stillen Straße
herauf ein merkwürdig vertrautes Geräusch an ihr Ohr schlug. Sie schlüpfte aus
dem Bett und sah aus dem Fenster. In dem weichen Schatten der hohen Bäume lag
die Straße tiefdunkel unter dem dämmerigen Sternenhimmel. Das Geräusch kam
näher, Räderrollen, Hufschlag, Menschenstimmen, und auf einmal mußte sie
lächeln: eine weinselige irische Stimme sang vernehmbar das vertraute »Peggy in
der kleinen Chaise«, und nun wußte sie Bescheid. Gerichtstag in Jonesboro war
freilich nicht, aber Gerald kam in der gewohnten Verfassung nach Hause.
    Sie sah
die dunklen Umrisse eines Einspänners halten und unbestimmte Gestalten
aussteigen. Es waren zwei. Sie blieben an der Gartenpforte stehen, und Scarlett
hörte die eiserne Klinke knacken. Dann erklang deutlich Geralds Stimme. »Nun
noch die >Klage um Robert Emmet<. Das Lied solltest du wirklich kennen,
mein Junge, ich will es dich

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