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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Feingefühl so ritterlich
gehandelt hatte. Er wollte gern in Pittypats Haus eingeladen werden und hatte
das sicherste Mittel dazu herausgefunden.
    »Es hat
mich tief bekümmert, zu hören, wie Du Dich kürzlich aufgeführt hast«, lautete
Ellens Brief, und Scarlett, die ihn bei Tisch las, machte ein finsteres
Gesicht. Schlechte Nachrichten reisen schnell. Sie hatte in Charleston und
Savannah oft sagen hören, daß die Leute von Atlanta ärger klatschten als irgend
jemand sonst im Süden, und nun glaubte sie es. Erst vorige Woche hatte das Fest
stattgefunden. Wer von den alten Drachen mochte es wohl auf sich genommen
haben, Ellen zu benachrichtigen? Einen Augenblick hatte sie Tante Pittypat im
Verdacht, ließ den Gedanken aber sofort fallen. Die arme Tante hatte Qualen der
Angst ausgestanden, Scarletts dreistes Betragen könnte ihr zur Last gelegt
werden. Es mußte wohl Mrs. Merriwether gewesen sein.
    »Es fällt
mir schwer zu glauben, daß Du Dich und Deine Erziehung so völlig vergessen
hast. Von der Ungeschicklichkeit, in Trauer öffentlich zu erscheinen, will ich
nicht reden. Ich begreife, wie es Dir am Herzen gelegen hat, etwas für das
Lazarett zu tun. Aber tanzen und das mit einem Mann wie Kapitän Butler? Ich
habe viel von ihm gehört, wer hätte das nicht, und Pauline schrieb mir, er
würde in Charleston nicht einmal von seiner eigenen Familie mehr empfangen,
außer von seiner untröstlichen Mutter. Er ist ein durch und durch schlechter
Charakter, der Deine Jugend und Deine Unschuld benutzt, um Dich zu
kompromittieren, um Dir und Deiner Familie Schmach anzutun. Wie konnte Miß
Pittypat ihre Pflicht gegen Dich so vernachlässigen?«
    Scarlett
blickte über den Tisch zu ihrer Tante hinüber. Die alte Dame hatte Ellens
Handschrift erkannt und spitzte erschrocken ihr Mündchen wie ein kleines Kind,
das vor Schelte bange ist und sie durch Tränen abwenden möchte.
    »Es geht
mir sehr nahe, daß Du Deine Erziehung so vergessen konntest. Ich ging schon mit
dem Gedanken um, Dich sofort nach Hause zurückzurufen, stelle aber das lieber
Deinem Vater anheim. Freitag kommt er nach Atlanta, um mit Kapitän Butler zu
sprechen und Dich nach Hause zu bringen. Ich fürchte, trotz meiner Bitten wird
er sehr streng sein. Ich hoffe und bete, nur Deine jugendliche Unerfahrenheit
möge die Ursache zu so keckem Benehmen gewesen sein.«
    Es ging
noch lange in demselben Ton weiter, aber Scarlett las den Brief nicht zu Ende.
Dieses Mal war sie wirklich zu Tode erschrocken. Dies ließ sich nicht einfach
trotzig abschütteln. Sie fühlte sich so klein und schuldbewußt wie mit zehn
Jahren, wenn sie Suellen über den Tisch einen Zwieback ins Gesicht geworfen
hatte, und nun wollte ihr Vater gar in die Stadt kommen, um mit Kapitän Butler
zu sprechen! Der Ernst der Sache ging ihr immer deutlicher auf. Dieses Mal,
wußte sie, konnte sie sich der Strafe nicht dadurch entziehen, daß sie sich
schmeichelnd auf Geralds Knie setzte.
    »Es sind
doch keine schlechten Nachrichten?« stammelte Pittypat.
    »Pa kommt
morgen und will mich tüchtig abkanzeln«, antwortete Scarlett kläglich.
    »Prissy,
mein Riechsalz!« wimmerte Pittypat und schob den Stuhl zurück. »Mir wird
schlecht!«
    »Das haben
Sie in der Rocktasche«, sagte Prissy. Sie ahnte das Drama und genoß es. Master
Gerald war immer so schön aufgeregt, wenn er böse wurde, und das liebte sie
sehr, vorausgesetzt, daß ihr wolliger Kopf nicht gerade das Opfer war. Pittypat
suchte in ihrem Rock und hielt sich das Fläschchen an die Nase.
    »Ihr müßt
mir beistehen und dürft mich keinen Augenblick allein lassen«, sagte Scarlett.
»Er hat euch beide gern, und wenn ihr dabei seid ... «
    »Ich kann
nicht«, sagte Pittypat matt und erhob sich mühsam. »Ich ... ich fühle mich
krank ... ich muß mich hinlegen, den ganzen Tag muß ich mich morgen hinlegen.
Ihr müßt mich bei ihm entschuldigen.«
    »Feigling!«
dachte Scarlett und funkelte sie voll Verachtung an. Melly nahm alle Kraft
zusammen, obwohl sie bei dem Gedanken an den feuerspeienden Mr. O'Hara ganz
blaß vor Schreck wurde.
    »Ich helfe
dir, ihm klarzumachen, daß du es um des Lazaretts willen getan hast. Das muß er
doch begreifen.«
    »Nein, das
tut er nicht. Ach, ich sterbe, wenn ich nach Tara zurück muß, wie Mutter mir
droht!«
    »Ach Gott,
du kannst doch nicht nach Hause«, sagte Pittypat unter Tränen. »Wenn du
fortgingst, wäre ich ja gezwungen, Henry zu bitten, er möge zu uns ziehen, und
du weißt doch, ich kann und kann

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