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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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lehren.«
    »Ich
möchte es wirklich lernen«, erwiderte der andere mit einem leisen unterdrückten
Lachen in seinem gedehnten, verschliffenen Tonfall, »aber nicht jetzt, Mr.
O'Hara.«
    »Du mein
Gott, das ist ja dieser schreckliche Butler.« Scarletts erste Regung war Ärger,
dann faßte sie Mut. Jedenfalls hatte es keine Schießerei gegeben. Sie mußten
schon auf freundschaftlichem Fuß miteinander stehen, wenn sie zu dieser
nächtlichen Stunde in einer solchen Verfassung miteinander nach Hause kamen.
    »Ich will
es aber singen, und du sollst mir zuhören, sonst schieße ich dich Orangeman
tot.«
    »Ich bin
kein Orangeman, ich bin aus Charleston.«
    »Das ist
auch nicht besser, das ist noch viel schlimmer. Ich habe zwei Schwägerinnen in
Charleston und weiß Bescheid.«
    »Will er
denn der ganzen Nachbarschaft davon erzählen?« dachte Scarlett erbleichend und
schlüpfte in ihren leichten Schlafrock. Was sollte sie nun machen? Sie konnte
unmöglich so spät in der Nacht hinuntergehen und ihren Vater von der Straße ins
Haus zerren.
    Gerald
aber, über die Pforte lehnend, warf ohne weitere Aufforderung den Kopf zurück
und stimmte in seinem grölenden Baß die »Klage« an. Scarlett stützte die
Ellbogen auf die Fensterbank und hörte zu. Sie mußte unwillkürlich lachen. Wenn
ihr Vater nur den Ton richtig halten wollte! Es war ein so herrliches Lied, eins
ihrer Lieblingslieder, und für einen Augenblick gab sie sich der schönen
Schwermut der Anfangsverse hin.
     
    »Fern
weilt sie dem Land, da ihr junger Held ruht, Und lauscht den Liebesseufzern um
sie her!«
     
    Gerald
sang hemmungslos weiter. In Pittypats und Mellys Zimmer regte es sich. Die
armen Dinger waren sicherlich außer sich, sie waren keine Vollblutmänner wie
Gerald gewohnt. Als seine Stimme endlich verstummte, verschmolzen die beiden
Schattengestalten zu einer, die den Gartenweg heraufkam und die Haustreppe
bestieg. Leise klopfte es an die Tür.
    »Ich muß
hinunter«, dachte Scarlett. »Schließlich ist es mein Vater, und die arme Pitty
stürbe eher, als daß sie hinunterginge.« Vor allem sollten die Dienstboten ihren
Vater nicht in dieser Verfassung sehen.
    Wenn Onkel
Peter ihn zu Bett zu bringen versuchte, setzte er sich womöglich zur Wehr. Pork
war der einzige, der mit ihm fertig zu werden verstand.
    Sie
knöpfte sich den Schlafrock bis zum Halse zu, zündete ihre Kerze an und lief
die dunkle Treppe hinunter in die Eingangshalle. Dort schloß sie die Tür auf
und sah in dem flackernden Licht draußen Rhett Butler stehen, an dessen
Kleidung kein Fältchen verschoben war, und ihren kleinen vierschrötigen Vater
sah sie hilflos an seinem Arm hängen. Die »Klage« war offensichtlich Geralds
Schwanengesang gewesen. Sein Hut war weg, das lange Lockenhaar hatte sich in
eine zerzauste weiße Mähne verwandelt. Die Krawatte saß hinterm Ohr, und auf
der Hemdbrust waren Schnapsflecke zu sehen.
    »Dies ist
doch wohl Ihr Herr Vater?« sagte Kapitän Butler. Seine Augen glitzerten lustig
in dem wettergebräunten Gesicht. Ihre mangelhafte Bekleidung schien er mit
seinem Blick zu durchdringen. »Bringen Sie ihn herein«, sagte sie kurz. Ihr
Schlafrock setzte sie in Verlegenheit. Sie war wütend auf Gerald, der sie in
die Lage brachte, von diesem Menschen so angeblickt zu werden.
    Rhett
schob Gerald vor sich her.
    »Soll ich
Ihnen helfen, ihn nach oben zu bringen? Sie werden nicht allein mit ihm fertig,
er ist recht schwer.«
    Ihr Mund
blieb vor Entsetzen ob solcher Frechheit offenstehen. Was sollten Pittypat und
Melly in ihren Betten denken, wenn Kapitän Butler zu dieser Nachtzeit in die
oberen Gemächer eindringen würde!
    »Heilige
Mutter Gottes, nein, hier herein ins Wohnzimmer, auf den Diwan.«
    »Soll ich ihm die Stiefel
ausziehen?«
    »Nein, er hat schon öfter darin
geschlafen.«
    Kaum hatte
sie dies gesagt, so hätte sie sich die Zunge dafür abbeißen mögen. Er lachte
leise in sich hinein, während er Gerald sorgsam die Beine übereinanderlegte.
    »Nun gehen
Sie bitte!« Er schritt in die dämmerige Halle und hob seinen Hut auf, den er
bei der Türschwelle hatte fallen lassen.
    »Ich sehe
Sie Sonntag beim Mittagessen«, sagte er, ging hinaus und schloß lautlos die Tür
hinter sich zu.
    Um halb
sechs Uhr in der Frühe, ehe die Dienstboten vom Hinterhof hereingekommen waren,
um das Frühstück herzurichten, stand Scarlett auf und schlüpfte die Treppe
hinunter ins Erdgeschoß. Gerald saß wach auf dem Sofa und hatte seinen kugeligen
Kopf mit

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