Margaret Mitchell
nicht mit Henry unter einem Dache leben. Mir
ist abends so bange, wenn ich mit Melly allein im Haus bin, bei all den fremden
Männern, die jetzt in der Stadt sind! Du bist so tapfer, da macht es mir
weniger aus, daß kein Mann im Haus ist!«
»Ach, er
kann dich doch nicht mit nach Tara nehmen!« Auch Melly sah aus, als wären ihr
die Tränen ganz nahe. »Dein Heim ist jetzt bei uns, was sollten wir je ohne
dich anfangen?«
Ihr würdet
mich mit Freuden entbehren, wenn ihr wüßtet, wie ich in Wirklichkeit über euch
denke, dachte Scarlett mißmutig und wünschte, jemand anders als Melanie möge
ihr helfen, Geralds Zorn abzuwehren. Es war ihr ein jämmerliches Gefühl, gerade
von der verteidigt zu werden, die sie so wenig leiden mochte.
»Sollten
wir nicht lieber die Einladung an Kapitän Butler widerrufen?« fing Pittypat an.
»Aber das
können wir doch nicht! Das wäre wirklich die Höhe der Unhöflichkeit!« Melly war
ganz unglücklich.
»Bringt
mich ins Bett, ich werde krank«, stöhnte Pittypat. »Ach, Scarlett, wie konntest
du mir das antun?«
Pittypat
lag wirklich im Bett, als Gerald am nächsten Nachmittag ankam. Hinter ihrer
verschlossenen Tür verschanzt, hatte sie sich tausendfach entschuldigen lassen
und überließ es den beiden verängstigten Mädchen, sie beim Abendessen zu
vertreten. Gerald war von unheilverkündender Schweigsamkeit, wenn er auch
Scarlett küßte und Melly in die Wange kniff und sie »Cousine Melly« nannte.
Flüche und Vorwürfe wären Scarlett sehr viel lieber gewesen. Melanie hielt
getreulich ihr Versprechen und hängte sich, ein kleiner raschelnder Schatten,
an Scarletts Rock. Gerald war zu sehr Gentleman, um seiner Tochter in ihrer
Gegenwart die Leviten zu lesen. Scarlett mußte zugeben, daß Melanie es sehr
geschickt anfing. Sie benahm sich, als wäre alles in bester Ordnung, und als
das Abendessen aufgetragen war, gelang es ihr auch, Gerald in ein Gespräch zu
ziehen.
»Ich
möchte alles aus der Provinz hören«, sagte sie strahlend zu ihm. »India und
Honey schreiben keine Briefe; Sie aber wissen ja alles, was dort vorgeht,
bitte, erzählen Sie uns von Joe Fontaines Hochzeit.«
Das
schmeichelte Gerald, und er erzählte, die Hochzeit sei recht still verlaufen,
weil Joe nur kurz Urlaub hatte. Sally, das kleine Munroeküken, habe sehr
niedlich ausgesehen. Nein, was für ein Kleid sie anhatte, wußte er nicht mehr,
er hatte aber gehört, ein Kleid für den »zweiten Tag« habe sie nicht gehabt.
»Nicht
möglich!« Die beiden Mädchen waren entrüstet.
»Sicher
nicht, sie hatte ja gar keinen >zweiten Tag< «, erklärte Gerald und
lachte schallend, ehe ihm einfiel, daß solche Bemerkungen für weibliche Ohren
nicht geeignet sein mochten. Es wurde Scarlett bei seinem Gelächter wieder ein
wenig wohler, und sie segnete Melanies Taktik.
»Joe ist
am nächsten Tage schon wieder nach Virginia gegangen«, fuhr Gerald hastig fort,
»da gab es keine Besuche und keinen Tanz hinterher. Die Tarleton-Zwillinge aber
sind zu Hause.«
»Wir haben
davon gehört, sind sie wieder hergestellt?«
»Sie waren
nur leicht verwundet. Stuart hatte einen Schuß ins Knie, und durch Brents
Schulter war eine Gewehrkugel gegangen. Habt ihr schon gehört, daß sie wegen
ihrer Tapferkeit im Kriegsbericht erwähnt worden sind?«
»Nein!
Erzähle!«
»Tollköpfe
- alle beide. Mir scheint fast, sie haben irisches Blut«, sagte Gerald
wohlgefällig. »Was sie eigentlich gemacht haben, ist mit entfallen, aber Brent
ist jetzt Leutnant.«
Es machte
Scarlett Freude, von ihren Heldentaten zu hören. Es war eine Freude am Eigentum.
War ein Mann einmal ihr Verehrer gewesen, so betrachtete sie ihn immer weiter
als ihr Eigentum, und alles, was er leistete, gereichte ihr zur Ehre.
»Ich habe
noch eine Neuigkeit für euch beide«, sagte Gerald, »es heißt, Stuart gehe in
Twelve Oaks auf Freiersfüßen.«
»Bei Honey
oder India?« fragte Melly gespannt, während Scarlett fast entrüstet dreinsah.
»Natürlich
Miß India, die hatte ihn doch am Bändel, bis mein eigenes Gelichter nach ihm
äugte. Stimmt's?«
Melly war
in nicht geringer Verlegenheit über Geralds freimütige Ausdrucksweise.
»Und, was
noch mehr ist, der junge Brent fängt an, in Tara herumzulungern. Was sagt ihr
nun?«
Scarlett
war sprachlos. Es kam ihr geradezu wie eine Beleidigung vor, daß ihre Verehrer
sie solcherart im Stich ließen, besonders wenn sie daran dachte, wie die beiden
Tarletons sich aufgeführt hatten, als sie Charles heiraten
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