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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und fragst, was mich dieser Tage innerlich
beschäftigte.«
    »Heilige
Mutter Gottes«, dachte Scarlett schuldbewußt. »»Meine wahren Gedanken vor Dir
verbergen?< Kann den Melly seine Gedanken lesen? Oder meine? Ahnt sie denn,
daß er und ich ... «
    Die Hände
zitterten ihr vor Angst, als sie weiterlas. Als sie aber an den nächsten Absatz
kam, beruhigte sie sich wieder.
    »Liebe
Melanie, wenn ich etwas vor Dir verborgen habe, so geschah es, weil ich Dir
keine neue Last auf die Schultern legen und zu Deiner Unruhe um mich nicht auch
noch neue Konflikte hinzufügen wollte. Aber vor Dir kann ich nichts
geheimhalten, Du kennst mich zu gut. Mach Dir keine Sorgen, ich bin nicht
verwundet, ich bin nicht krank, ich habe genug zu essen und zuweilen auch ein
Bett zum Schlafen. Mehr kann ein Soldat nicht verlangen. Aber, Melanie, schwere
Gedanken liegen mir auf der Seele, und ich will Dir mein Herz ausschütten.
    Ich liege
nächtelang wach, wenn das Lager schon längst zur Ruhe ist, und blicke in die
Sterne hinauf. Immer wieder stelle ich mir die Frage: >Warum bist du hier,
Ashley Wilkes, und wofür kämpfst du?< Gewiß nicht für Ehre und Ruhm. Der
Krieg ist ein schmutziges Geschäft, und Schmutz ist mir zuwider. Ich bin keine
Soldatennatur und suche nicht leeren Ruhm vor den Mündungen der Kanonen. Und
doch bin ich hier im Felde, ich, der ich niemals etwas anderes sein sollte als
ein Mann der Arbeit. Die Trompeten bringen mein Blut nicht in Wallung, die
Trommeln reißen meinen Fuß nicht mit sich fort. Ich sehe allzu deutlich, daß
wir verraten sind, verraten von unserem eigenen Hochmut, von unserem Wahn,
einer von uns werde mit einem Dutzend Yankees fertig und König Baumwolle könne die
Welt regieren. Verraten auch von Phrasen, Schlagwörtern, Vorurteilen und
Gehässigkeiten aus dem Munde derer, die wir geachtet und verehrt haben ...
    Wenn ich
so unter meiner Decke liege und in die Sterne hinaufblicke und mich frage:
>Wofür kämpfst du eigentlich?<, so denke ich an die Rechte der Staaten,
an die Baumwolle und die Neger und an die Yankees, die zu hassen uns anerzogen
worden ist, und ich weiß, daß es all dieses nicht ist, was mich bewegt. Aber
dann sehe ich Twelve Oaks, und ich denke daran, wie der schräge Mondstrahl
zwischen den weißen Säulen spielt, wie überirdisch die Magnolie aussieht, wenn
sie sich öffnet, wie die Kletterrosen am heißen Mittag die Veranda beschatten.
Ich sehe Mutter dasitzen und nähen, wie sie schon tat, als ich ein kleines Kind
war, den Gesang der Schwarzen höre ich, wenn sie am Feierabend müde und hungrig
über die Felder kommen. Ich höre das Spill abrollen, wenn der Eimer in den
Brunnen hinuntersinkt. Ich sehe die weite Aussicht über die Baumwollfelder hin bis
an den Fluß und sehe im Zwielicht aus den Niederungen die Nebel emporsteigen.
Darum bin ich hier, und nicht, weil ich irgend jemanden hasse. Vielleicht ist
es dies, was man die Liebe zur Heimat und zum Vaterland nennt. Aber, Melanie,
es geht noch tiefer. Was ich aufgezählt habe, ist nur das Sinnbild dessen,
wofür ich mein Leben aufs Spiel setze. Das Sinnbild des Lebens, wie ich es
liebe. Ich kämpfe für die alten Zeiten und die alte Art, die ich liebe. Aber
ich fürchte, sie ist für immer dahin, wie auch die Würfel fallen werden. Ob wir
den Krieg gewinnen oder verlieren - verlieren tun wir in jedem Fall.
    Wenn wir
den Krieg gewinnen und das Baumwollreich unserer Träume sich verwirklicht, auch
dann haben wir verloren, denn dann sind wir ein anderes Volk geworden, und die
alte ruhige Lebensweise ist aus dem Leben verschwunden. Vor unseren Türen wird
die Welt nach unserer Baumwolle schreien, und wir können ihr den Preis
vorschreiben. Dann, so fürchte ich, werden wir sein wie die Yankees, deren
Geldgier und Krämergeist wir so verachten. Wenn wir aber verlieren, Melanie,
wenn wir verlieren!
    Ich
fürchte mich vor keiner Gefahr und auch nicht vor dem Tode, wenn mir der Tod
bestimmt ist. Was ich furchte, ist, daß nach diesem Kriege die alte Zeit nie
wiederkommen wird. Ihr allein aber gehöre ich an. Ich gehöre nicht der
irrsinnigen, mörderischen Gegenwart an und fürchte, ich passe auch in keinerlei
Zukunft hinein, und wenn ich mir noch soviel Mühe gebe. Auch Du nicht, Liebes,
denn Du und ich, wir sind eines Geblüts. Ich weiß nicht, was die Zukunft
bringt, aber so schön und beglückend wie die Vergangenheit kann sie nie werden.
Da liege ich und schaue mir die jungen Männer an, die neben mir schlafen, und
denke, ob

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