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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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als Feiglinge waren und daß mehr als ein Sieg dazu gehörte, sie zu
bezwingen. Immerhin hatte man die Siege in Tennessee, die die Generale Morgan
und Forrest gewonnen hatten, und den Triumph der zweiten Schlacht bei Bull Run
zu verzeichnen, um sich daran zu weiden wie an sichtbar aufgehängten
Yankeeskalps. Aber diese Skalps waren teuer bezahlt worden. Die Lazarette in
Atlanta wimmelten von Kranken und Verwundeten, und immer mehr Frauen erschienen
in Schwarz. Die einförmige Reihe der Soldatengräber auf dem Oaklandfriedhof
wurde von Tag zu Tag länger.
    Das
konföderierte Geld war beängstigend im Werte gesunken, und die Preise für
Nahrungsmittel und Kleidung stiegen entsprechend. Die Requirierungen rissen
solche Lücken in die Vorräte, daß man in Atlanta bei den Mahlzeiten sich schon
einschränken mußte. Weißes Mehl war so knapp, daß man Maisbrot statt der
gewohnten Semmeln, Waffeln und Zwiebacke aß, die Schlächterläden führten fast
überhaupt kein Ochsenund Hammelfleisch mehr, und das wenige vorhandene kostete
so viel, daß nur die Reichsten es sich leisten konnten. Immerhin gab es noch
genug Schweinefleisch, Hühner und Gemüse.
    Die
Blockade hatte die Häfen der Konföderierten immer enger umschlossen, und
Luxuswaren wie Tee, Kaffee, Seide, Parfüms, Modezeitschriften und Bücher wurden
knapp und teuer. Selbst die billigsten Baumwollwaren stiegen schwindelnd im
Preise, und die Damen machten voller Trübsal die alten Kleider für das neue
Jahr noch einmal zurecht. Webstühle, auf denen sich der Staub vieler Jahre
gesammelt hatte, wurden vom Boden geholt und in fast jedem Salon in Gebrauch
genommen. Soldaten, Zivilisten, Frauen, Kinder und Neger, alle trugen
handgewebte Stoffe. Das Grau verschwand als Farbe der Uniformen fast völlig. An
seiner Stelle erschien das Nußbraun der handgewebten Stoffe. Zuzeiten war in
den Lazaretten die Knappheit an Chinin, Opium, Chloroform und Jod
besorgniserregend. Leinene und baumwollene Binden waren jetzt zu kostbar, um
nach Gebrauch fortgeworfen zu werden. Die Damen brachten aus den Lazaretten
Körbe blutiger Stoffstreifen mit nach Hause, um sie für weiteren Gebrauch zu
waschen und zu bügeln.
    Für
Scarlett aber, die nun frisch aus der Puppe ihrer Witwenschaft geschlüpft war,
bedeutete der Krieg eitel Fröhlichkeit und Erregung. Nicht einmal die kleinen
Entbehrungen an Kleidung und Ernährung bekümmerten sie, so glücklich war sie,
wieder in der Welt zu sein. Wenn sie an die stumpfsinnigen Zeiten des
vergangenen Jahres dachte, kam ihr das neue Leben wie eine einzige Zerstreuung
vor. Jeder Tag kündigte sich als aufregendes Abenteuer an, als eine
Gelegenheit, wieder neue Männer kennenzulernen, die sie mit Anträgen bestürmten
und ihr sagten, wie hübsch, sie sei und welche Ehre es wäre, für sie zu kämpfen
und womöglich zu sterben. Sie konnte Ashley lieben und tat es, aber das
hinderte sie nicht, an anderen Männern ihre Reize zu erproben.
    Die
Allgegenwart des Krieges gab dem ganzen gesellschaftlichen Leben eine angenehme
Formlosigkeit, die die älteren Leute beunruhigte. Mütter trafen bei ihren
Töchtern fremde Männer an, die ohne Empfehlungsbriefe zu Besuch gekommen waren
und von deren Vorleben und Herkunft niemand etwas wußte. Zu ihrem Entsetzen
mußten die Mütter ihre Töchter sogar Hand in Hand mit solchen Männern dasitzen
sehen. Mrs. Merriwether, die ihren Mann nicht ein einziges Mal vor der Hochzeit
geküßt hatte, traute ihren Augen nicht, als sie Maybelle dabei erwischte, wie
sie sich von dem kleinen Zuaven Rene Picard umarmen ließ, und ihre Bestürzung
wuchs, als Maybelle sich nicht einmal deswegen schämte. Selbst die Tatsache,
daß Rene auf der Stelle um ihre Hand anhielt, besserte für sie an der Sache
nichts. Mrs. Merriwether hatte das Gefühl, daß der Süden einem vollständigen
moralischen Zusammenbruch entgegenging, und ließ das auch des öfteren
verlauten. Viele andere Mütter waren von Herzen derselben Meinung und gaben dem
Kriege die Schuld an allem.
    Männer,
die darauf gefaßt sein mußten, binnen einer Woche zu sterben, konnten nicht ein
Jahr lang darauf warten, ein Mädchen auch nur mit Vornamen nennen zu dürfen.
Sie hatten auch keine Lust, sich den umständlichen festgelegten Formen des
Werbens zu unterwerfen, die vor dem Kriege unumstößliche Geltung hatten. Sie
hielten womöglich schon nach drei bis vier Monaten um ein Mädchen an, und die
Mädchen, die doch wußten, daß eine Dame dem Herrn mindestens die ersten drei
Male

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