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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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männlichen
Schutz, wenn Rhett Butler im Hause war.
    »Ich weiß
nicht, was es mit ihm ist«, seufzte sie dann wohl hilflos. »Er könnte wirklich
ein so netter, anziehender Mann sein, wenn man nur einmal das Gefühl haben
dürfte ... nun, ja, daß er im tiefsten Herzen die Frauen achtet!«
    Melanie
aber hielt, seit sie ihren Ehering wiederbekommen hatte, Rhett Butler für einen
Gentleman von ungemein feinem Zartgefühl und war über Pittys Bemerkung
entrüstet. Gegen sie versagte seine Ritterlichkeit niemals; wenn sie ihm
gegenüber zaghaft war, so war sie es, weil nun einmal jeder Mann, den sie nicht
von Kindheit auf kannte, sie einschüchterte. Insgeheim tat Kapitän Butler ihr
sehr leid, was ihm, wäre er es gewahr geworden, größten Spaß bereitet hätte.
Sie war überzeugt, daß irgendein romantischer Kummer ihm das Leben zerstört und
ihn hart und bitter gemacht habe, und sie glaubte, daß ihm nur die Liebe einer
guten Frau fehle. In ihrem ganzen umhüteten Dasein hatte sie nie das Böse
gesehen und hielt es überhaupt kaum für möglich. Wenn etwa über Rhett und das
bewußte Mädchen in Charleston getuschelt wurde, so war sie ungläubig und voller
Empörung. Es nahm sie keineswegs gegen ihn ein, sondern ihre Entrüstung über
das große Unrecht, das man ihm antat, erhöhte nur ihre schüchterne Huld.
    Scarlett
dagegen war insgeheim derselben Ansicht wie Tante Pitty. Auch sie hatte das
Gefühl, daß er für keine Frau Achtung empfände, außer vielleicht für Melanie.
Sie fühlte sich noch immer nackend ausgezogen, wenn sein Blick ihre Gestalt von
oben bis unten abmaß. Nicht, daß er jemals etwas Ungezogenes gesagt hätte. Dann
hätte sie ihn mit hitzigen Worten zurechtweisen können. Es war die Art, wie
seine Augen mit ihrer sanften Unverschämtheit aus seinem gebräunten
Piratengesicht hervorschauten, als wären alle Frauen sein Eigentum und nach
Belieben zu seinem Genüsse geschaffen. Nur Melanie schaute er niemals so an.
Ihr gegenüber hatte er nie den kühlen Ausdruck des abschätzenden Kenners, seine
Augen waren dann frei von jeder Spöttelei. Er sprach zu ihr in einem ganz
besonderen Ton, höflich, ehrerbietig und dienstbeflissen.
    »Ich kann
nicht einsehen, warum Sie gegen Melanie soviel höflicher sind als gegen mich«,
bemerkte Scarlett eines Nachmittags unzufrieden, als Melanie und Pitty sich zur
Mittagsruhe zurückgezogen hatten und sie mit Rhett Butler allein war. Eine
Stunde lang hatte sie zugesehen, wie Rhett geduldig das Garn hielt, das Melanie
zum Stricken aufwickelte. Sie hatte den gleichmütigen und undurchdringlichen
Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkt, als Melanie voller Stolz von Ashley und
seiner Beförderung erzählte. Scarlett wußte ja, daß Rhett keine sonderlich hohe
Meinung von Ashley hatte und daß ihm seine Beförderung zum Major ganz
gleichgültig war.
    Dennoch
antwortete er höflich und murmelte etwas geziemend Beifälliges über Ashleys
Tapferkeit.
    »Wenn aber
ich nur Ashleys Namen nenne«, dachte sie unwillig, »zieht er die Braue in die
Höhe und setzt sein widerliches, wissendes Lächeln auf!«
    »Ich bin
viel hübscher als sie«, fuhr sie fort, »ich sehe nicht ein, warum Sie gegen sie
soviel höflicher sind.«
    »Darf ich zu hoffen wagen, daß Sie eifersüchtig sind?«
    »Oh, bilden Sie sich das nur ja nicht ein!«
    »Wieder
eine Hoffnung zertrümmert! Wenn ich gegen Mrs. Wilkes höflicher bin, so
deshalb, weil sie es verdient. Sie ist einer der ganz wenigen gütigen,
aufrichtigen und selbstlosen Menschen, die ich je gekannt habe. Aber
möglicherweise sind diese Eigenschaften Ihrer Aufmerksamkeit entgangen.
Außerdem ist sie bei all ihrer Jugend eine der wenigen wirklich vornehmen
Damen, die zu kennen ich den Vorzug gehabt habe.«
    »Wollen
Sie damit sagen, daß Sie mich nicht für eine vornehme Dame halten?«
    »Ich
meine, wir wären schon bei unserer ersten Begegnung übereingekommen, daß Sie
überhaupt keine Dame sind.«
    »Nun
besitzen Sie wieder die Ungezogenheit, hiervon anzufangen! Wie können Sie eine
kleine kindische Aufwallung so ernst nehmen! Es ist schon so lange her, ich bin
seitdem erwachsen geworden und hätte es längst vergessen, wenn Sie nicht
immerfort mit Ihren Andeutungen wieder daran rühren würden.«
    »Nach
meiner Ansicht war das gar keine kleine kindische Aufwallung, und ich glaube
auch nicht, daß Sie sich inzwischen geändert haben. Sie sind jetzt genau wie
damals imstande, Vasen zu zerschmeißen, wenn etwas nicht nach Ihrem Kopfe

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