Margaret Mitchell
einen Korb zu geben hatte, stürzten sich schon beim ersten Antrag kopfüber
in das Jawort.
Durch
diese Formlosigkeit bereitete der Krieg Scarlett viel Freude. Wäre nicht das
schreckliche Pflegen und Scharpiezupfen gewesen, so hätte der Krieg für sie
ewig dauern können. Sie nahm das Lazarett mit Gleichmut in Kauf, weil es einen
unschätzbaren Jagdgrund abgab. Die hilflosen Verwundeten unterlagen kampflos
ihren Reizen. Wenn sie ihnen den Verband erneuerte, das Gesicht wusch, die
Kissen aufschüttelte und die Fliegen verscheuchte, waren sie auf der Stelle in
sie verliebt.
Ja, es war
wie im Himmel, und Scarlett fühlte sich wieder wie vor ihrer Hochzeit mit
Charles. Es war, als hätte sie ihn nie geheiratet und verloren und als wäre
keine Geburt und keine Witwenschaft über sie hingegangen. Nichts hatte sich in
ihr verändert. Sie besaß ein Kind, aber die anderen Frauen in dem roten
Backsteinhaus nahmen sich seiner so liebevoll an, daß sie selber es fast
vergaß. Sie war wieder Scarlett O'Hara, die Königin der Provinz. Ihr Denken und
Tun war dasselbe wie früher, nur ihr Betätigungsfeld hatte sich unendlich
erweitert. Ohne der Mißbilligung von Tante Pittys Freundinnen und anderen alten
Damen zu achten, benahm sie sich wie vor ihrer Ehe, ging auf Gesellschaften und
Tanztees, ritt und flirtete wie ein junges Mädchen. Nur ihre Trauer legte sie
nicht ab, denn dies hätte bei Pittypat und Melanie das Faß zum Überlaufen
gebracht. Sie war eine ebenso reizende Witwe, wie sie ein reizendes Mädchen
gewesen war: liebenswürdig, wenn man ihr den Willen tat, zuvorkommend, solange
es ihr nicht unbequem wurde, und voller Stolz auf ihre Schönheit und
Beliebtheit; und selbst der Gedanke, daß Ashley einer anderen gehörte, war
leichter zu ertragen, wenn er fern war. Über die Hunderte von Meilen Entfernung
hinweg war es ihr manchmal, als gehörte sein Herz ihr nicht weniger als
Melanie.
So flogen
die Herbstmonate dieses Jahres 1862 dahin. Dann und wann fuhr sie zu einem
kurzen Besuch nach Tara. Diese Besuche waren für sie eine Enttäuschung. Zu den
langen Gesprächen mit ihrer Mutter, auf die sie sich in Atlanta gefreut hatte,
war wenig Gelegenheit vorhanden. Sie hatte keine Muße und Geduld,
dabeizusitzen, wenn Ellen nähte, den schwachen Zitronenund Verbenenduft, der
ihre Mutter umgab, einzuatmen und ihre weichen Hände mit sanfter Liebkosung auf
der Wange zu fühlen.
Ellen war
von früh bis spät auf den Beinen. Sie war mager geworden und immer ganz mit
ihren Gedanken beschäftigt. Die Requisitionen für die konföderierten Truppen
wurden von Monat zu Monat größer, und Ellen hatte alle Hände voll zu tun,
größere Erträgnisse aus Tara herauszuwirtschaften. Sogar Gerald hatte zum
erstenmal seit langen Jahren wieder reichlich zu tun. Er hatte keinen Ersatz
für den Aufseher Jonas Wilkerson finden können und ritt nun selbst über seine
Felder und sah nach dem Rechten. Auch Scarletts Schwestern steckten tief in
ihren eigenen Angelegenheiten. Suellen war jetzt mit Frank Kennedy zu einem
Einverständnis gekommen und sang das Lied »Wenn der grause Krieg zu Ende« so
aufdringlich und anzüglich, daß Scarlett es kaum noch ertragen konnte. Carreen
war zu sehr in Träumereien über ihren Brent versunken, um selber eine
teilnehmende Gefährtin zu sein.
Obwohl
Scarlett sich jedesmal freute, wenn sie nach Tara ging, kamen ihr die
unvermeidlichen Briefe Pittys und Melanies, worin sie um ihre Rückkehr baten,
doch niemals ungelegen. Ellen seufzte dann jedesmal, denn immer wieder wurde es
ihr schwer, ihre älteste Tochter und ihr einziges Enkelkind herzugeben. »Ich
darf nicht selbstsüchtig sein«, sagte sie, »wenn du in Atlanta im Lazarett
gebraucht wirst. Kaum daß ich begriffen habe, mein Liebling, daß du da bist und
wieder mein kleines Mädchen bist und ich vieles mit dir reden müßte, so fährst
du schon wieder davon.«
»Ich bin
immer dein kleines Mädchen«, sagte dann wohl Scarlett und legte den Kopf an
Ellens Brust. Sie verschwieg ihrer Mutter, daß Tanz und Verehrer sie nach
Atlanta zurückholten und nicht der Dienst an der Sache der Konföderierten. Sie
hatte viel vor ihrer Mutter zu verheimlichen. Vor allem aber verschwieg sie
ihr, daß Rhett Butler so häufig bei Tante Pittypat aus und ein ging.
12
In den
Monaten nach dem Basar kam Rhett Butler jedesmal, wenn er in der Stadt war, bei
Tante Pittypat zu Besuch, fuhr Scarlett mit seiner Equipage spazieren,
begleitete sie auf Tanzereien und Basare
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