Margaret Mitchell
weißen Atlas sowie einen
Spitzenschleier mit und überreichte ihr die Kostbarkeiten als Hochzeitsgeschenk.
Er richtete es so ein, daß es undenkbar war, dabei von Bezahlung zu sprechen.
Maybelle war so selig, daß sie ihn beinahe geküßt hätte. Mrs. Merriwether wußte
gut, daß ein so wertvolles Geschenk - und nun gar Kleidung - höchst
unschicklich war. Aber ihr fiel durchaus keine passende Erwiderung ein, als
Rhett Butler ihr in blumenreichen Ausdrücken versicherte, nichts sei zu gut und
kostbar als Schmuck für die Braut eines unserer tapferen Helden. Mrs.
Merriwether lud ihn also zum Essen ein in dem Gefühl, ein solches Zugeständnis
sei eine mehr als angemessene Bezahlung für das kostbare Geschenk.
Nicht nur
den Atlas brachte er Maybelle mit, sondern auch noch den unbezahlbaren Rat, wie
sie das Brautkleid am modernsten anfertigen lassen sollte. In Paris wurden
diese Saison die Reifen breiter und die Röcke kürzer getragen, nicht mehr
gefältelt, sondern in Bogen gerafft, unter denen litzenbesetzte Unterröcke
hervorschauten. Auch sagte er, er habe auf der Straße keine Spitzenhöschen mehr
unter den Reifröcken herauslugen sehen und glaube deshalb, sie seien aus der
Mode gekommen. Mrs. Merriwether erzählte ihrer Freundin Mrs. Elsing später,
wenn sie ihn auch nur im geringsten dazu ermuntert haben würde, so hätte er ihr
genauestens beschrieben, was für Leibwäsche die Pariserinnen trügen.
Wäre er
nicht so ausgesprochen männlich gewesen, so hätte man ihm seine Fähigkeit,
Kleider, Hüte und Haartrachten im Kopf zu behalten, als weibische Eigenschaft
schlimmster Art angekreidet. Den Damen war es nie ganz geheuer, wenn sie ihn
mit ihren Modefragen bestürmten, aber sie taten es trotzdem. Sie waren von der
Modewelt abgeschnitten wie gestrandete Seeleute, denn nur wenig Zeitschriften
schlüpften durch die Blockade. Die französischen Damen hätten sich den Kopf
rasieren und Bärenmützen tragen können, hier hätte man nichts davon gewußt.
Rhett Butlers ausgezeichnetes Gedächtnis war daher ein guter Ersatz für »Godeys
Damenalmanach«. Er hatte ein unfehlbares Auge für all die modischen
Kleinigkeiten, die den Frauen am Herzen liegen. Nach jeder Europareise sah man
ihn wieder als Mittelpunkt eines Schwarms von Damen, denen er berichtete, daß
die Hüte dieses Jahr Heiner seien und höher auf dem Kopf saßen, den sie
immerhin zum größten Teil bedeckten, daß nicht mehr Blumen, sondern Federn zur
Verzierung dienten, daß die französische Kaiserin zur Abendtoilette keinen
Chignon mehr trage, sondern ihr Haar ganz oben auf dem Kopf auftürme und die
Ohren völlig frei lasse, daß die Abendkleider wieder anstößig tief
ausgeschnitten seien. Einige Monate lang war er also trotz den unbestimmten
Gerüchten, er spekuliere obendrein mit Nahrungsmitteln, die beliebteste und
romantischste Gestalt in der Stadt. Wer ihn nicht mochte, behauptete, jedesmal,
wenn er nach Atlanta käme, schnellten die Preise von neuem um ein paar Dollar
in die Höhe. Aber bei allem Klatsch hätte er so beliebt bleiben können, wie er
nur wollte, wenn es ihm nur der Mühe wert gewesen wäre. Statt dessen schien es,
als diente die Gesellschaft gesetzter Patrioten ihm nur zum Zeitvertreib, als
triebe ihn, nachdem er die widerwillige Hochachtung gewonnen hatte, eine neue
Schrulle, sie eigens vor den Kopf zu stoßen und ihr zu zeigen, wie gleichgültig
sie ihm sei.
Es war,
als hege er für alles und jedes im Süden und insbesondere für die
Konföderierten Staaten nur Verachtung und gebe sich nicht einmal Mühe, dies zu
verbergen. Bei seinen Bemerkungen über die Konföderierten wurde Atlanta zuerst
stutzig, dann kühl und zuletzt wütend. Noch ehe das Jahr 1862 zu Ende ging,
grüßten ihn die Männer nur noch mit eisiger Kälte, und die Frauen fingen an,
ihre Töchter nicht aus den Augen zu lassen, wenn er in einer Gesellschaft
erschien. Er machte sich offenbar ein Vergnügen daraus, nicht nur die
Wohlgesinnten in Atlanta vor den Kopf zu stoßen, sondern auch sich selbst im
denkbar schlechtesten Licht erscheinen zu lassen. Wenn man ihm eine
Schmeichelei über seine Tapferkeit sagte, erwiderte er sanft, er habe in der
Gefahr immer Angst, genau wie die braven Jungen an der Front. Jedermann wußte,
daß es einen feigen Soldaten bei den Konföderierten noch nie gegeben hatte, und
fand eine solche Feststellung ganz besonders ungehörig. Von den Soldaten sprach
er immer als von »unseren braven Jungens«
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