Margaret Mitchell
an
der Tür stand, mußte zweimal von Silbermünzen geleert werden, und das genügte
schon, um den Erfolg sicherzustellen, denn ein Silberdollar war sechzig Dollar
in konföderiertem Papiergeld wert.
Jedes
Mädchen, das auf einiges Talent Anspruch machte, hatte bereits gesungen oder
Klavier gespielt, und die lebenden Bilder waren mit lautem Beifall aufgenommen
worden. Scarlett war sehr mit sich zufrieden. Sie hatte nicht nur mit Melanie
ein rührendes Duett und ein lustiges Volkslied gesungen, sie war auch dazu
erkoren worden, in dem letzten der lebenden Bilder den Geist der Konföderation
darzustellen. Sie hatte in ihrem züchtig gerafften griechischen Gewand aus
weißem Nessel mit rotblauem Gürtel reizend ausgesehen. Mit der einen Hand hatte
sie das Sternenbanner, mit der anderen Charles' Degen gehalten und über dem
knienden Hauptmann Carey Ashburn aus Alabama ausgestreckt. Als ihr Bild vorüber
war, konnte sie es sich nicht versagen, nach Rhett Butlers anerkennendem Blick
zu suchen. Aber zu ihrem großen Ärger befand er sich in angeregter Unterhaltung
und schien sie überhaupt nicht bemerkt zu haben. Scarlett sah die Gesichter um
ihn herum flammend vor Zorn über das, was er sagte.
Sie brach
sich zu ihm Bahn und hörte in einer verlegenen Stille gerade Willie Guinan vom
Landsturm sagen: »Verstehe ich Sie recht, daß nach Ihrer Meinung die Sache, für
die unsere Helden gefallen sind, keine heilige Sache ist?«
»Wenn Sie
von einem Eisenbahnzug überfahren werden, so würde Ihr Tod doch wohl kaum die
Gesellschaft heiligen, der die Eisenbahn gehört, nicht wahr?« fragte Rhett, und
es klang so bescheiden, als bäte er um Rat und Belehrung.
»Herr«,
sagte Willie mit bebender Stimme, »wenn wir nicht unter diesem Dache wären ...
«
»Mir
zittern die Glieder, wenn ich daran denke, was dann geschehen könnte«, sagte
Rhett. »Ihre Tapferkeit ist ja allgemein bekannt.«
Willie war
stark und gesund und befand sich im felddienstfähigen Alter, und doch stand er
nicht an der Front. Freilich war er der einzige Sohn seiner Mutter, und
schließlich mußte wohl irgend jemand im Landsturm sein, um die Etappe zu
beschützen. Immerhin ging über die Gesichter mancher kaum genesener Offiziere
ein Schmunzeln, als Rhett von Willies Tapferkeit sprach.
»Ach,
warum kann er nur nicht den Mund halten!« dachte Scarlett voller Unwillen. »Er
verdirbt die Stimmung der ganzen Gesellschaft.«
Auf Dr.
Meades Stirn zog sich ein Gewitter zusammen.
»Ihnen,
junger Mann, mag nichts heilig sein«, sagte er in demselben salbungsvollen Ton,
in dem er seine Reden zu halten pflegte, »aber den patriotischen Männern und
Frauen des Südens sind gar viele Dinge heilig. Die Freiheit unseres Vaterlandes
vor dem Usurpator zu schützen, ist eins davon, die Rechte der Staaten sind ein
zweites ... und ...«
Rhett
blickte ungemein verschlafen drein. Seine Stimme klang seidenweich und beinahe
gelangweilt. »Alle Kriege sind heilig«, sagte er, »für die, die mitkämpfen
müssen. Wenn die Leute, die den Krieg erklären, ihn nicht heiligsprächen, wer
wäre dann so dumm, zu kämpfen? Aber einerlei, mit welchem Feldgeschrei die
Narren, die kämpfen, angefeuert werden, und einerlei, was für edle Zwecke die
Redner dem Krieg unterschieben, er hat doch immer nur eine einzige Ursache: das
Geld. Alle Kriege sind in Wirklichkeit Streitereien um Geld. Aber das begreifen
so wenige. Alle Ohren sind ja voll von Hörnerklang und Trommelwirbel und den
großen Worten der Redner daheim. Einmal heißt der Schlachtruf: >Rettet das
Grab Christi aus den Händen der Heidend, ein anderes Mal: >Nieder mit den
Papisten!<, manchmal: >Freiheit!< und manchmal >Baumwolle, Sklaverei
und Rechte der Südstaaten!<«
»Was hat
denn nur der Papst oder das Grab Christi damit zu tun«, dachte Scarlett
ärgerlich. Dann sah sie Rhett sich elegant verbeugen und durch die Menge seinen
Weg nach der Tür einschlagen. Sie wollte ihm folgen, aber Mrs. Elsing erwischte
sie beim Rock und hielt sie fest.
»Laß ihn
laufen«, sagte sie mit lauter Stimme, daß es durch den gespannt schweigenden
Saal schallte, »laß ihn laufen. Er ist ein Verräter, ein Spekulant, eine
Schlange, die wir am Busen genährt haben.«
Rhett
stand mit dem Hut in der Hand und hörte, was er hören sollte, ließ einen
Augenblick die Blicke über den Saal schweifen, sah anzüglich auf Mrs. Elsings
flachen Busen, grinste plötzlich und empfahl sich mit einer Verbeugung.
Mrs.
Merriwether fuhr mit Tante Pittys
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