Margaret Mitchell
oder »unseren grauen Helden«, und das
in einem Ton, der nur allzudeutlich die äußerste, schimpflichste Ironie
durchblicken ließ. Wenn kokette junge Damen ihm dafür Dank sagten, daß er einer
der Helden sei, die für sie kämpften, verbeugte er sich bescheiden und
erklärte, das sei nicht der Fall; denn er würde dasselbe für die Damen der
Yankees tun, wenn dieselbe Summe Geldes dabei herausspränge.
Auch mit
Scarlett hatte er seit ihrem ersten Zusammentreffen in Atlanta in diesem Ton
gesprochen. Wenn er bewundert wurde, antwortete er unfehlbar, seine Heldentaten
seien für ihn nur ein Geschäft. Wenn er mit Regierungsaufträgen ebensoviel Geld
verdienen könnte, pflegte er zu sagen und dabei diejenigen anzusehen, die
Regierungsaufträge hatten, dann würde er sicher nicht mehr die Gefahr der
Blockadeschiffahrt auf sich nehmen, sondern lieber den Konföderierten
schlechtes Tuch, sandigen Zucker, verdorbenes Mehl und rissiges Leder verkaufen.
Die
meisten solcher Bemerkungen wirkten um so schlimmer, als sie nicht zu
widerlegen waren. Mit den Inhabern von Regierungsaufträgen war es schon zu
Skandalen gekommen. Die Frontkämpfer beklagten sich in ihren Briefen
fortwährend über Schuhe, die in einer Woche zerschlissen seien, über Pulver,
das nicht zündete, über Zaumzeug, das zerriß, über verdorbenes Fleisch und Mehl
voller Würmer. Die Leute aus Atlanta suchten sich einzureden, daß die Firmen,
die der Regierung solchen Schund verkauften, aus Alabama, Virginia oder
Tennessee, nicht aber aus Georgia sein müßten. Unter den Vertragsinhabern aus
Georgia waren ja Männer aus den allerbesten Familien. Waren sie nicht die
ersten, die Betriebskapital für Lazarette und Beiträge für die Hinterbliebenen
zeichneten? Die ersten, die jubelten und Beifall klatschten, wenn »Dixie«
gespielt wurde, die Blutdürstigsten, wenn von der Vernichtung der Yankees die
Rede war? Noch war die Flut des Unwillens gegen die Kriegsgewinnler nicht auf
ihrer vollen Höhe, und Rhett Butlers zynische Worte zeugten nur für seine
schlechte Erziehung.
Er
beleidigte die Stadt nicht nur dadurch, daß er hochgestellten Mitbürgern
Bestechlichkeit zutraute und den Mut der Frontkämpfer in Frage stellte, er fand
auch Vergnügen daran, die würdige Bürgerschaft in peinliche Lagen zu bringen.
Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, dem Dünkel, der Heuchelei und der
Vaterlandsliebe seiner Umgebung Nadelstiche zu versetzen, sowenig, wie ein
kleiner Junge es sich verkneifen kann, einen Luftballon anzustechen. Fein
säuberlich und fast unmerklich wurde von ihm alles Pathos entwertet, die
Unwissenheit entlarvt, das Frömmlertum verspottet. Er fing es so schlau an,
seine Opfer durch scheinbar höflichste Anteilnahme aus sich herauszulocken, daß
sie nie genau wußten, was eigentlich geschehen war, bis sie als offenkundige
Windbeutel und Narren am Pranger standen.
Während
der Monate, die er in der Stadt eine so große Rolle gespielt, hatte sich
Scarlett keinen Illusionen über ihn hingegeben. Sie wußte, daß er die Rolle des
schneidigen Patrioten zum bloßen Spaß und Zeitvertreib spielte. Manchmal kam er
ihr vor wie die Jungens aus der Provinz, mit denen sie aufgewachsen war, die
wilden Zwillinge Tarleton mit ihrem unbändigen Hang zu Streichen, die
Fontaines, die nichts wie Unfug im Kopf hatten, und die Calverts, die
nächtelang aufsaßen und Schabernack trieben. Aber da war ein Unterschied. Denn
hinter Rhetts scheinbarer Freundlichkeit war etwas Boshaftes, ja in seiner
sanften Brutalität etwas Finsteres verborgen.
Obwohl Scarlett
seine Unaufrichtigkeit gründlich durchschaute, hatte sie ihn doch lieber in der
Rolle des romantischen, tapferen Seefahrers. Diese Rolle machte es ihr
leichter, mit ihm gemeinsam in Gesellschaften zu erscheinen, als es im Anfang
der Fall gewesen war. Deshalb ärgerte es sie sehr, daß er die Maske fallen ließ
und geflissentlich darauf ausging, Atlantas Wohlwollen wieder zu verscherzen.
Es ärgerte sie, weil es ihr so töricht vorkam, und auch, weil manches harte
Urteil, das ihm zugedacht war, gleichzeitig auf sie fiel. Auf Mrs. Elsings
musikalischem Wohltätigkeitsfest zum Besten der genesenden Lazarettinsassen
geschah es, daß Butler sich sein endgültiges Scherbengerichtsurteil selbst
ausstellte. An diesem Nachmittag wimmelte es bei Elsings von Gästen, jeder
Stuhl im Hause war besetzt, und sogar die lange gewundene Treppe hinauf
drängten sich die Besucher. Die große Kristallschale, mit welcher der Diener
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