Margaret Mitchell
vorbehalten waren.
Die
Ausführungen des Doktors stimmten jenen Entrüstungschor an, der sich alsbald im
ganzen Süden gegen Spekulanten, Kriegsgewinnler und Inhaber von
Regierungsaufträgen erheben sollte. Die Verhältnisse in Wilmington, dem
wichtigsten Blockadehafen, seitdem der Hafen von Charleston von den
Kanonenbooten der Yankees völlig abgeriegelt war, wuchsen sich zu einem
öffentlichen Skandal aus. Es wimmelte in Wilmington von Spekulanten, die
Bargeld hatten und ganze Schiffsladungen aufkauften, um sie bis zur nächsten
Preissteigerung zurückzuhalten. Diese blieb niemals aus, denn bei zunehmender
Knappheit am Notwendigsten schnellten die Preise immer weiter in die Höhe. Die
bürgerliche Bevölkerung mußte entweder sich behelfen oder zu
Spekulationspreisen kaufen. Die Armen und Minderbemittelten aber litten immer
härtere Entbehrungen. Gleichzeitig sank der Wert des konföderierten Geldes, und
mit seinem schnellen Sinken erhob sich eine wilde Leidenschaft für jederlei
Luxus. Die Blockadebrecher hatten den Auftrag, hereinzubringen, was irgend
lebensnotwendig war. Der Handel mit Luxusartikeln war ihnen nur als
Nebengeschäft gestattet. Jetzt aber füllten sie ihre Schiffsräume mit
kostspieligem Tand und hatten keinen Platz für die Waren, die das Land für den
nackten Lebensunterhalt brauchte. Die Lage wurde dadurch weiter verschlimmert,
daß es nur eine einzige Eisenbahnlinie von Wilmington nach Richmond gab.
Während Fässer mit Mehl und Kisten mit Schinken zu Tausenden an den
Zwischenstationen verdarben, weil sie nicht befördert werden konnten, fanden
die Spekulanten, die Wein, Kaffee und Seidenstoffe zu verkaufen hatten, immer
noch Mittel und Wege, ihre Waren zwei Tage nach der Landung in Wilmington
bereits nach Richmond gelangen zu lassen.
Jetzt
erhob das Gerücht offener seine Stimme, wonach Rhett Butler nicht nur die Waren
seiner vier eigenen Schiffe, sondern auch die Ladungen anderer Schiffe
aufkaufen und für weitere Preissteigerungen zurückhalten sollte. Es hieß, er
stehe an der Spitze einer Gesellschaft, die über eine Million Dollar Kapital
verfüge und ihren Sitz in Wilmington habe und sich damit befasse, Blockadewaren
gleich am Kai aufzukaufen. Diese Gesellschaft besitze, so ging das Gerede, Dutzende
von Speichern dort und in Richmond, die bis oben angefüllt seien mit
Nahrungsmitteln und Stoffen. Die Erbitterung gegen ihn und seine Mitspekulanten
wuchs von Tag zu Tag.
»In der
Blockadeabteilung der konföderierten Marine dienen viele tapfere Patrioten«,
lautete der Artikel des Doktors im letzten Absatz, »selbstlose Männer, die ihr
Leben und ihr Vermögen aufs Spiel setzen, damit die Konföderierten Staaten
durchhalten können. Die Herzen aller Wohlgesinnten schlagen für sie, und
niemand mißgönnt ihnen die karge Entschädigung, die ihnen für ihre gefährliche
Arbeit zuteil wird. Das sind aufopfernde Gentlemen, und wir zollen ihnen Lob
und Ruhm. Von ihnen ist hier aber nicht die Rede. Es gibt andere, Schurken, die
unter dem Mantel des Blockadedienstes ihrer eigenen Gewinnsucht nachgehen. Auf
diese Geier in Menschengestalt rufe ich den gerechten Zorn eines streitbaren
Volkes herab, das für eine große Sache kämpft. Sie bringen Atlas und Spitzen
herein, während unsere Leute aus Mangel an Arzneien zugrunde gehen, sie laden
Tee und Wein auf ihre Schiffe, während unsere Helden sich aus Mangel an
Morphium in Schmerzen winden. Ich verabscheue diese Vampire, die am Lebensblut
der Gefolgsmänner Robert Lees saugen - diese Naturen, die schon den Namen eines
Blockadebrechers zum Gestank in der Nase aller Patrioten machen. Wie können wir
diese Schmutzfinken mit ihren Lackstiefeln in unserer Mitte dulden, während
unsere Söhne barfuß in die Schlacht gehen? Sollen wir sie mit ihrem Sekt und
ihren Gänseleberpasteten ungeschoren lassen, während unsere Soldaten am
Lagerfeuer frieren und an verschimmelten Schinkenknochen nagen? Ich rufe daher
alle treuen Mitbürger auf, diese Leute zu verfemen und zu ächten.«
Atlanta
las, das Orakel hatte gesprochen, und die Wohlgesinnten beeilten sich, Rhett
Butler zu verstoßen. Von allen Häusern, in denen er Ende 1862 noch aus und ein
gegangen war, blieb Miß Pittypats fast das einzige, das er 1863 noch betreten
durfte. Wäre Melanie nicht gewesen, er wäre auch dort wohl kaum noch empfangen
worden. Tante Pitty hatte jedesmal, wenn er in der Stadt weilte, ihre Zustände.
Sie wußte sehr wohl, was ihre Freundinnen sagten, wenn sie die Besuche
Weitere Kostenlose Bücher