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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Kapitän
Butlers duldete. Aber sie brachte nicht den Mut auf, ihm das Haus zu verbieten.
Jedesmal, wenn er nach Atlanta kam, preßte sie die Lippen zusammen und
erklärte, sie werde ihm an der Tür entgegentreten und ihm den Eintritt
verwehren. Aber jedesmal, wenn er mit einem Paketchen in der Hand und einem
Kompliment über ihre Liebenswürdigkeit und Schönheit auf den Lippen eintraf,
war es mit ihrer Entschlossenheit vorbei. »Ich weiß wirklich nicht, was ich
dabei machen soll«, jammerte sie dann, »er sieht mich nur an, und dann habe ich
eine Todesangst, was er wohl tut, wenn ich es ihm sage. Er hat doch solch einen
schlechten Ruf. Meint ihr, er würde mich schlagen - o je, wenn doch Charlie
noch lebte! Scarlett, du mußt ihm sagen, daß er uns nicht wieder besuchen darf,
aber auf höfliche Weise, hörst du ...? Ach, ich Arme! Ich glaube wahrhaftig, du
ermunterst ihn noch zu kommen, und die ganze Stadt redet darüber, und wenn
deine Mutter jetzt dahinterkommt, was soll sie von mir denken? Auch du, Melly,
du darfst nicht so nett zu ihm sein. Sei kühl und unnahbar, dann wird er es
schon verstehen. Ach, Melly, findest du nicht, ich sollte lieber Henry ein paar
Zeilen schreiben und ihn bitten, mit Kapitän Butler zu sprechen?«
    »Nein, das
finde ich nicht«, sagte Melanie, »und ich will auch nicht unhöflich gegen ihn
sein. Ich finde, die Leute führen sich alle wegen Kapitän Butler wie kopflose
Hühner auf. All das Schlechte, was Dr. Meade und Mrs. Merriwether von ihm
behaupten, ist sicher nicht wahr. Niemals wird er den Hungernden ihre Nahrung
vorenthalten. Er hat mir doch sogar hundert Dollar für die Waisen gegeben. Ich
bin überzeugt, er ist ein ebenso guter Patriot wie wir alle und nur zu stolz,
sich zu verteidigen. Du weißt doch, wie halsstarrig Männer werden, wenn man
ihnen zu nahetritt.«
    Tante
Pitty wußte nicht viel von den Männern und ihrer Halsstarrigkeit und konnte nur
hilflos die dicken Händchen sinken lassen. Scarlett hatte sich längst mit
Melanies Angewohnheit, in allem nur das Gute zu sehen, abgefunden. Sie wußte,
daß Rhett Butler kein Patriot war, und es war ihr einerlei. Ihr kam es am
meisten auf die kleinen Geschenke an, die er ihr mitbrachte, Kleinigkeiten, die
eine Dame annehmen durfte, ohne sich etwas zu vergeben. Wo in aller Welt sollte
sie sonst bei den schwindelnden Preisen Nadeln, Haarspangen und Leckereien
hernehmen, wenn sie ihm das Haus verbot? Nein, da war es bequemer, die
Verantwortung auf Tante Pitty abzuschieben, die doch schließlich Hausherrin,
Chaperon und Hüterin der Moral war. Scarlett wußte, daß die ganze Stadt über
Rhetts Besuche in diesem Hause klatschte. Aber ganz Atlanta wußte auch, daß
Melanie Wilkes kein Unrecht tun konnte, und wenn Melanie für Rhett Butler
eintrat, so hatten selbst seine Besuche noch einen Schimmer von Achtbarkeit.
    Freilich
wäre es angenehmer gewesen, wenn Rhett seine Ketzereien widerrufen wollte.
    »Und wenn
Sie nun schon so etwas denken, warum sagen Sie es denn?« schalt sie. »Wieviel
netter wäre es, wenn Sie den Mund nicht auftun wollten!«
    »Das ist
Ihre Taktik, nicht wahr, Sie grünäugige Gleisnerin?« war seine Antwort.
»Scarlett, Scarlett, ich hätte Sie wirklich für mutiger gehalten. Ich dachte,
die Iren sagten stets, was sie denken, und scheiten sich den Teufel darum, was
danach kommt. Sagen Sie mir die Wahrheit, Scarlett: Bersten Sie nicht manchmal
fast daran, daß Sie den Mund nicht auftun?«
    »Nun,
freilich«, gestand Scarlett widerstrebend, »es ist schließlich langweilig,
morgens, mittags und abends nur von unserer großen Sache reden zu hören. Aber,
du mein Gott, Rhett, wenn ich das zugeben wollte, spräche niemand mehr ein Wort
mit mir, und kein Mann würde mehr mit mir tanzen.«
    »Natürlich,
getanzt werden muß um jeden Preis, und ich bewundere Ihre Selbstbeherrschung,
aber ich fühle mich nicht imstande, es Ihnen gleichzutun. Ich kann mich nicht
in den Mantel patriotischer Romantik hüllen, auch wenn es noch so bequem wäre.
Es gibt genug Dummköpfe, die jeden Cent, den sie besitzen, in der Blockade aufs
Spiel setzen. Sie werden aus diesem Krieg als arme Schlucker hervorgehen. Ich
habe in ihren Reihen nichts zu suchen, weder zur Steigerung der patriotischen
Gefühle noch zur Vermehrung der armen Schlucker. Mögen sie ihren Heiligenschein
behalten. Sie verdienen ihn wirklich - dieses Mal spreche ich aufrichtig -, und
außerdem wird er in knapp einem Jahre wohl ziemlich ihr einziges

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