Margaret Mitchell
verschwinden, und nun geschieht es.
Und dann erwarten Sie von mir, daß ich auf Schwätzer wie Dr. Meade höre, die
mir erzählen, unsere Sache sei heilig und gerecht? Und mich beim Trommelwirbel
so errege, daß ich die nächstbeste Muskete packe und nach Virginia laufe, um
mein Blut für Marse Robert zu vergießen? Für was halten Sie mich? Es liegt
nicht in meiner Natur, die Knute zu küssen, die mich züchtigt. Der Süden und
ich, wir sind miteinander quitt. Der Süden hat mich einst verstoßen. Ich aber
bin nicht umgekommen, sondern schlage so viel Geld aus den Todeszuckungen des
Südens, daß es mich für mein verlorenes Geburtsrecht entschädigen wird.«
»Ich finde
das häßlich und selbstsüchtig«, erwiderte Scarlett. Aber dieses Urteil kam nur
mechanisch heraus. Das meiste hatte er über ihren Kopf hinweggesprochen, wie es
ihr bei jedem Gespräch geschah, das sich nicht um Persönliches drehte. Aber
doch schien es ihr zum Teil ganz vernünftig zu klingen. Wieviel Torheiten mußte
man in Kauf nehmen, wollte man in einer guten Familie so leben, wie es sein
sollte! Da mußte man so tun, als sei das Herz im Grab, wo es doch gar nicht
war! Wie waren sie alle entrüstet gewesen, als sie auf dem Basar getanzt hatte.
Wie rissen die Leute voller Entsetzen die Augen auf und zogen die Brauen in die
Höhe, wenn sie etwas tat oder sagte, das nur im geringsten von dem Üblichen
abwich. Und doch ging es ihr gegen den Strich, wenn er gerade dasjenige
angriff, worunter sie selbst am meisten litt. Sie hatte so lange unter Leuten
gelebt, die ihre Gefühle höflich verbargen oder beschönigten, daß es sie
beunruhigte, ihre eigenen Gedanken, in so klare Worte gefaßt, zu vernehmen.
»Selbstsüchtig?
Nein, nur weitblickend. Aber vielleicht ist das nichts als ein anderer Ausdruck
dafür. Wenigstens werden minder nüchterne Leute als ich das behaupten. Jeder
gute Bürger in den Südstaaten, der Anfang 1861 tausend Dollar in bar besaß,
hätte dasselbe tun können wie ich. Aber wie wenige waren so nüchtern, die
Gelegenheit zu benutzen. So habe ich unmittelbar vor dem Fall von Fort Sumter,
ehe die Häfen blockiert wurden, mehrere tausend Ballen Baumwolle zu
Schleuderpreisen aufgekauft und nach England gebracht. Sie lagern noch heute im
Speicher von Liverpool. Ich habe sie nicht verkauft. Ich halte sie so lange
zurück, bis die englischen Spinnereien die Baumwolle einfach haben müssen und
mir jeden Preis dafür geben, den ich fordere. Es sollte mich nicht wundern,
wenn ich einen Dollar für das Pfund bekomme.«
»Darauf
werden Sie lange warten können!«
»Ich
glaube, nicht lange. Die Baumwolle steht jetzt schon auf zweiundsiebzig Cent
das Pfund. Wenn der Krieg vorbei ist, Scarlett, bin ich ein reicher Mann, weil
ich weitblickend - Verzeihung - selbstsüchtig war. Ich habe Ihnen schon einmal
gesagt, es gibt zwei Gelegenheiten, viel Geld zu machen: beim Aufbau eines
Landes und bei seiner Zerstörung. Beim Aufbau geht es langsam, beim
Zusammenbruch geht es schnell. Vergessen Sie meine Worte nicht. Vielleicht
können sie Ihnen einmal nützlich sein.«
»Ich weiß
guten Rat gar sehr zu schätzen«, sagte Scarlett mit so viel Sarkasmus, als sie
nur aufbringen konnte. »Aber ich brauche Ihren Rat nicht. Meinen Sie, Pa sei
ein armer Schlucker? Er hat so viel Geld, wie ich mein Leben lang brauche, und
außerdem habe ich noch Charles' Besitztümer.«
»Ich
furchte, die französischen Aristokraten haben ungefähr genauso gedacht, bis zu
dem Augenblick, da sie auf den Karren klettern mußten.«
Immer
wieder wies Rhett Butler Scarlett darauf hin, wie widersinnig es sei, schwarze
Trauerkleider zu tragen, wenn sie doch an allen gesellschaftlichen
Veranstaltungen teilnahm. Er hatte leuchtende Farben gern. Scarletts
Trauerkleidung und der Kreppschleier, der ihr von der Haube bis auf die Fersen
fiel, belustigte und beleidigte ihn zugleich. Aber sie hielt an ihrem stumpfen
Schwarz und ihrem traurigen Schleier fest, weil sie wußte, daß das Gerede in
der Stadt noch heftiger umgehen würde, wenn sie nicht noch mehrere Jahre
wartete, ehe sie wieder buntere Farben anlegte, und vor allem - wie hätte sie
dies je ihrer Mutter klarmachen sollen?
Rhett
sagte ihr offen, in dem Kreppschleier sehe sie wie eine Krähe aus und in den
schwarzen Kleidern um zehn Jahre älter, als sie sei. Auf solche ungalanten
Äußerungen hin lief sie dann vor den Spiegel, um nachzusehen, ob sie wirklich
wie eine Achtundzwanzigjährige aussehe anstatt wie eine Achtzehnj
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