Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
unzusammenhängenden Ausrufen festgehalten, als wollte sie ihn nie wieder
loslassen. Dann hatten India und Honey ihn ihr weggerissen und ihn geliebkost.
Darauf hatte er seinen Vater mit einer Umarmung begrüßt, der man das ruhige,
starke Freundschaftsverhältnis wohl anmerkte, das die beiden verband. Und dann
Tante Pitty, die vor Aufregung auf ihren viel zu kleinen Füßen hin und her
hüpfte. Endlich hatte er sich dann zu ihr gewandt, zu Scarlett, die wie leblos
inmitten all derer, die ihren Kuß haben wollten, dastand, und hatte sie mit den
Worten: »Ach, Scarlett, du schönes, schönes Ding!« auf die Wange geküßt.
    Mit dem
Kuß war alles verflogen, was sie ihm zur Begrüßung hatte sagen wollen. Erst
viele Stunden später fiel ihr ein, daß er sie nicht auf den Mund geküßt hatte.
Dann begann sie fieberhaft zu überlegen, ob er es wohl getan hätte, wenn er mit
ihr allein gewesen wäre. Ob er sich dann wohl zu ihr niedergebeugt, sie zu sich
emporgehoben und lange, lange an sich gedrückt hätte? Es machte sie glücklich,
sich das vorzustellen, und deshalb glaubte sie daran, daß es so gekommen wäre.
Aber all das hatte ja Zeit, eine ganze Woche lang. Sicherlich würde sie es
einmal einrichten können, mit ihm allein zu sein und ihm zu sagen: »Weißt du
noch, wie wir auf unseren geheimen Reitwegen zusammen geritten sind? Weißt du
noch, wie der Mond an dem Abend aussah, als wir auf den Stufen zu Tara saßen
und du ein Gedicht sprachst? (Himmel, wie hieß doch nur das Gedicht?) Weißt du
noch den Nachmittag, als ich mir den Enkel verstauchte und du mich in deinen
Armen durch die Dämmerung nach Hause trugst?«
    Ach, da
war so viel, was sich mit »weißt du noch« einleiten ließ, so viele liebe
Erinnerungen, die ihm die schönen Tage wieder ins Gedächtnis zurückrufen
konnten, da sie wie sorglose Kinder die Provinz durchstreiften, ehe Melanie
Hamilton auf der Bildfläche erschien. Und wenn sie dann miteinander redeten,
würde vielleicht in seinen Augen die tiefe wahre Leidenschaft wieder aufglühen
... Auf den Gedanken, sich einen Plan für den Fall zu machen, daß Ashley ihr
unmißverständlich seine Liebe erklärte, kam sie nicht. Wenn sie nur wußte, daß
er sie liebhatte ... Ihre Zeit mußte kommen.
    »Liebling,
du siehst ja ganz zerlumpt aus«, sagte Melanie, als die erste Aufregung vorüber
war. »Wer hat dir denn deine Uniform geflickt und warum mit Blau?«
    »Und ich
dachte, ich sähe untadelig aus«, erwiderte Ashley und betrachtete sich. »Sieh
dir doch nur das Lumpengesindel da drüben an, dann weißt du mich besser zu
würdigen. Moses hat mir die Uniform geflickt, und zwar gut, wenn man bedenkt,
daß er nie zuvor eine Nadel in der Hand gehabt hat. Und das blaue Tuch ... nun,
wenn du vor der Wahl stehst, Löcher in den Hosen zu haben oder sie mit dem
Uniformtuch eines gefallenen Yankees zu flicken, dann bleibt eben keine Wahl.
Ein Wunder übrigens, daß dein Mann nicht auch noch barfuß nach Hause kommt.
Vorige Woche waren meine alten Stiefel vollkommen erledigt, und ich wäre mit
Säcken um die Füße heimgekommen, hätten wir nicht das Glück gehabt, zwei
feindliche Kundschafter totzuschießen. Die Stiefel des einen paßten mir wie
angegossen.«
    Er
streckte seine langen Beine aus, damit sie seine verschrammten Stiefel
bewunderten.
    »Mir aber
paßten die Stiefel des andern nicht«, sagte Cade. »Die sind zwei Nummern zu
klein, und ich werde noch verrückt vor Schmerzen. Wenigstens komme ich aber
anständig mit Stiefeln nach Hause.«
    »Das
eigensüchtige Schwein will sie keinem von uns geben«, sagte Tony, »und unseren
aristokratischen Füßen würden sie doch ausgezeichnet passen. Ich schäme mich,
in diesen Kähnen vor Mutter zu erscheinen. Vor dem Krieg hätten wir sie nicht
einmal einen unserer Neger tragen lassen.«
    »Beruhige
dich«, sagte Alex und betrachtete die Stiefel des Bruders. »Wir ziehen sie ihm
im Zuge auf der Heimfahrt aus. Vor Mutter so zu erscheinen, macht mir nichts
aus, aber ... Dimity Munroe darf nicht sehen, wie mir die Zehen herausschauen.«
    »Was wollt
ihr, das sind meine Stiefel, ich habe sie zuerst gehabt.«
    Tony
machte seinem Bruder ein grimmiges Gesicht, aber Melanie trat in bebender Angst
vor einer der berühmten Fontaineschen Fehden dazwischen und stiftete Frieden.
    »Mir war
eigens für euch Mädchen schon ein Vollbart gewachsen«, sagte Ashley und rieb
sich wehmütig das Kinn, wo die kaum vernarbten Rasierwunden noch zu sehen
waren. »Es war ein herrlicher

Weitere Kostenlose Bücher