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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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wimperlosen Augen vor Begeisterung glühten.
    Selbst John
Wilkes fand zu ruhiger Unterhaltung mit seinem Sohn keine Gelegenheit. Nicht
anders war es beim Abendessen, wo alle Ashley mit ihren Fragen über den Krieg
bestürmten. Der Krieg! Was kümmerte denn sie noch der Krieg! Scarlett hatte den
Eindruck, daß Ashley selber nicht gern davon sprach. Er beherrschte die
Unterhaltung so völlig, wie man es bei ihm nie gesehen hatte, und dabei sagte
er ihnen doch nur wenig. Er erzählte Witze und Anekdoten von Kameraden,
berichtete launig, wie sie sich manchmal hätten behelfen und den Hunger und die
Mühsal im Regen leicht nehmen müssen, und beschrieb eingehend, wie General Lee
ausgesehen hätte, als er bei dem Rückzug von Gettysburg an ihnen vorbeigeritten
sei mit der Frage: »Meine Herren, gehören Sie zur Truppe Georgia? Ohne euch
Leute aus Georgia kommen wir nicht aus!«
    Es kam
Scarlett so vor, als redete er fieberhaft, um von anderen Fragen, die er nicht
beantworten wollte, abzulenken. Als sie einmal bemerkte, wie er dem langen,
sorgenvollen Blick seines Vaters auswich, stieg eine beklommene Verwunderung in
ihr auf, und sie sann lange nach, was sich wohl in Ashleys Herzen so tief
verborgen halten könnte. Aber das ging wieder vorüber, denn in ihrem Gemüt war
nur Raum für strahlende Freude und für den sehnlichen Wunsch, mit ihm allein zu
sein.
    Die
Glückseligkeit dauerte so lange, bis alle in dem Kreise um das offene Feuer zu
gähnen begannen und Mr. Wilkes und die Mädchen sich verabschiedeten, um ins
Hotel zu gehen. Als dann Ashley und Melanie, Pittypat und Scarlett hinaufgingen
und Onkel Peter ihnen leuchtete, wurde Sarlett von einem Frösteln gepackt.
Bisher hatte Ashley ihr gehört, ihr allein, obwohl sie kein Wort unter vier
Augen mit ihm hatte sprechen können. Aber nun, als sie einander »Gute Nacht«
sagten, sah sie Melly plötzlich erglühen und erbeben. Ihre Augen waren auf den
Teppich gerichtet, und sie blickte nicht einmal auf, als Ashley die Tür zum
Schlafzimmer öffnete, und ging rasch hinein. Ashley sagte unvermittelt: »Gute
Nacht« und sah Scarlett dabei gleichfalls nicht an. Die Tür schloß sich hinter
ihnen, Scarlett aber blieb mit einem wehen Schmerz draußen stehen. Nun gehörte
Ashley nicht mehr ihr, er gehörte Melanie. Solange Melanie lebte, konnte sie
mit Ashley in ein Zimmer gehen und die Tür hinter ihm vor der ganzen übrigen
Welt zuschließen.
    Dann ging
Ashley wieder fort, zurück nach Virginia, wo lange Märsche in Schnee und Regen
seiner warteten, wo Gefahr seiner wartete, die Gefahr, daß seine ganze
strahlende Schönheit in einem einzigen Augenblick vernichtet werde wie ein Wurm
unter einem achtlosen Tritt. Die ganze vergangene Woche mit ihrer schimmernden,
traumhaften Schönheit, mit all ihren überglücklichen Stunden war vorüber. Sie
war schnell vergangen: ein Traum voller Tannenduft und Christbaumherrlichkeit,
mit kleinen Kerzen und selbstgemachtem Rauschgoldschmuck, ein Traum, in dem die
Minuten so rasch wie Herzschläge verflossen. Eine atemlose Woche, in der
Scarlett sich halb vor Schmerz und halb vor Freude im Innersten getrieben
fühlte, jeden einzelnen Augenblick bis zum Rand mit Ereignissen zu füllen, an
denen sie zehren konnte, wenn er fort war. In den langen Monaten, die
bevorstanden, wollte sie sie dann in Muße betrachten und allen Trost, den sie
brauchte, aus ihnen herauspressen und so tanzte, sang und lachte sie für
Ashley, brachte ihm, was er brauchte, kam seinen Wünschen zuvor, lächelte, wenn
er lächelte, schwieg, wenn er sprach, verfolgte ihn mit den Augen, damit jeder
Zoll seines Körpers, jede Bewegung seiner Mienen sich ihrem Gemüt
unauslöschlich einprägte; denn eine Woche ist schnell vorüber, und der Krieg
dauert ewig.
    Sie saß
auf dem Diwan im Wohnzimmer und hielt ihr Abschiedsgeschenk auf dem Schoß. Hier
wartete sie, bis er von Melanie Abschied genommen hatte, und betete, er möge,
wenn er endlich kam, allein kommen und der Himmel möge ihr nur einen kurzen
Augenblick mit ihm allein gewähren. Sie lauschte - das Haus war so sonderbar
still, daß ihr das eigene Atmen laut klang. Tante Pitty lag in ihrem Zimmer und
weinte in die Kissen; Ashley hatte ihr vor einer halben Stunde Lebewohl gesagt.
Kein Geräusch drang durch die geschlossene Tür von Melanies Schlafzimmer, und
es war Scarlett, als weile er schon seit vielen Stunden darin, und sie grollte
ihm bitterlich für jeden Augenblick, den er noch blieb und von seiner Frau
Abschied nahm.

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