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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Enttäuschung nicht. Wie früher schauten
seine Augen ganz durch sie hindurch, als sähen sie die fernsten Dinge, nicht
aber sie.
    »Ja,
Scarlett, hab ein Auge auf sie und sorge für sie. Sie reibt sich auf mit
Pflegen und Nähen. Sie ist so zart, so sanft und zaghaft. Außer Tante Pitty,
Onkel Henry und dir hat sie keine nahen Verwandten auf der Welt. Tante Pitty
ist ein Kind und Onkel Henry ein alter Mann. Melanie hat dich lieb, nicht weil
du Charlies Frau warst, sondern weil ... nun, weil du eben du bist und sie dich
liebhat wie eine Schwester. Scarlett, der Gedanke, was ihr widerfahren könnte,
wenn ich falle, ist mir ein Alpdruck. Willst du es mir versprechen?«
    Seine
letzte Bitte hörte sie nicht einmal, so erschrak sie über die unheilvollen
Worte: »wenn ich falle«. Tag für Tag hatte sie mit von Tränen verschleierten
Augen in den Verlustlisten gelesen, dennoch hatte nie das Gefühl sie verlassen,
daß, auch wenn die konföderierte Armee völlig vernichtet würde, Ashley
verschont bliebe. Es überlief sie kalt. Sie war Irin genug, um an das zweite
Gesicht zu glauben. In seinen großen grauen Augen lag eine abgrundtiefe
Traurigkeit, die sie nur als ein Vorgefühl dessen zu deuten wußte, der schon
den kalten Finger auf der Schulter gespürt und die Totenklage vernommen hat.
    »Das
darfst du nicht sagen! Das darfst du nicht einmal denken! Vom Tode sprechen
bringt Unglück. Ach, sprich nur rasch ein Gebet!«
    »Sprich du
es für mich und zünde ein paar Kerzen an«, sagte er und lächelte über die
drängende Angst in ihrer Stimme.
    Sie konnte
nichts antworten, so sehr betäubten sie die Bilder, die ihr Geist sich
ausmalte. Er sprach weiter, und in seiner Stimme lag so viel Traurigkeit und
Verzicht, daß Scarletts Betroffenheit jede Spur von Zorn und Enttäuschung in
ihr auslöschte.
    »Ich bitte
dich darum, Scarlett ... Wenn das Ende kommt, so bin ich, selbst wenn ich es
miterlebe, zu weit fort von hier, um nach Melanie zu sehen.«
    »Das
Ende?«
    »Das Ende
des Krieges und das Ende unserer Welt.«
    »Aber
Ashley, du kannst doch nicht glauben, daß die Yankees uns schlagen? Die ganze
Woche hast du ... «
    »Die ganze
Woche habe ich gelogen, wie alle Männer, wenn sie auf Urlaub sind. Ja,
Scarlett, die Yankees schlagen uns. Gettysburg war der Anfang vom Ende. Zu
Hause weiß man es noch nicht. Viele unserer Leute gehen barfuß, und in Virginia
liegt hoher Schnee. Wenn ich ihre erfrorenen Füße, mit Lumpen und Säcken
umwickelt, sehe und die Blutspuren, die sie im Schnee hinterlassen, und weiß,
ich habe ein Paar heile Stiefel, dann habe ich das Gefühl, ich sollte sie
weggeben und auch barfuß laufen.«
    »Ach,
Ashley, versprich mir, sie nicht wegzugeben!«
    »Wenn ich so
etwas sehe, dann erkenne ich, daß es mit uns aus ist. Siehst du, Scarlett, die
Yankees kaufen Soldaten zu Tausenden von Europa! Die meisten Gefangenen, die
wir neulich eingebracht haben, sprechen nicht einmal Englisch. Deutsche und
Polen sind es, und Iren, die Gälisch sprechen. Wir aber können keinen Mann, den
wir verlieren, ersetzen. Wenn unsere Schuhe aufgetragen sind, gibt es keine
neuen. Wir sind eingeschlossen, Scarlett. Wir können nicht gegen die ganze Welt
kämpfen. In kurzem haben sie uns!«
    Wild fuhr
es ihr durch den Sinn: Mögen alle Konföderierten zu Staub zerfallen, mag die
Welt enden, aber du darfst nicht sterben! Ich könnte nicht mehr leben, wenn du
tot bist!
    »Du darfst
nicht weitererzählen, was ich dir gesagt habe, Scarlett. Ich hätte auch dich
nicht damit erschreckt, hätte ich dir nicht auseinandersetzen müssen, warum ich
dich bitte, für Melanie zu sorgen. Sie ist so zart und schwach, und du bist
stark, Scarlett. Es wäre mir ein Trost, euch beieinander zu wissen, wenn mir
etwas zustößt. Du versprichst es mir, nicht wahr?«
    »Ja doch«,
antwortete sie mit tränenerstickter Stimme. Sie sah den Tod hinter ihm stehen
und hätte im Augenblick alles versprochen. »Ashley, Ashley, ich kann dich aber
nicht fortlassen! Darin kann ich einfach nicht tapfer sein!«
    »Du mußt
es.« Mit seiner Stimme war eine feine Veränderung vorgegangen, sie klang voller
und tiefer, und seine Worte kamen rasch, wie von innen her getrieben. »Du mußt
tapfer sein, wie soll ich es sonst ertragen?«
    Ihre Augen
spähten rasch und freudig nach seinem Gesicht. Wollte er damit sagen, der
Abschied von ihr bräche ihm das Herz, wie er das ihre brach?
    Sein
Gesicht sah immer noch traurig und verfallen aus, aber in seinen Augen war
nichts zu

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