Margaret Mitchell
des Staates, bei Chickamauga, hatte zum erstenmal
seit Kriegsbeginn ein ernsthafter Kampf auf georgianischem Boden stattgefunden.
Die Yankees hatten Chattanooga eingenommen und waren dann über die Bergpässe
nach Georgia marschiert, aber mit starken Verlusten abgedrängt worden.
Atlanta
und seine Eisenbahnen hatten einen wichtigen Anteil an diesem großen Siege. Die
Linie, die von Virginia über Atlanta nach Tennessee führte, hatte das Korps des
Generals Longstreet mit unerwarteter Schnelligkeit auf den Kriegsschauplatz
geworfen. Man hatte die ganze Strecke von mehreren hundert Meilen frei gemacht
und alles verfügbare Wagenmaterial zu der nötigen Truppenverschiebung
zusammengezogen. Atlanta hatte zugesehen, wie die endlosen Züge Stunde für
Stunde durch die Stadt rollten, Personenwagen, offene und geschlossene
Güterwagen voll jubelnder Soldaten. Ohne Nahrung und Schlaf, ohne Pferde,
Ambulanzen und Trainkolonnen waren sie eingetroffen, aus dem Zuge gesprungen
und in die Schlacht gestürzt. Sie hatten die Yankees aus Georgia nach Tennessee
zurückgetrieben. Es war die Großtat des Krieges, und der Gedanke, daß die
Eisenbahn diesen Sieg ermöglicht hatte, gereichte Atlanta zur besonderen
Genugtuung.
Aber der
Süden hatte die Siegesnachricht von Chickamauga bitter nötig gehabt, um sich
den Winter hindurch aufrechtzuhalten. Jetzt leugnete niemand mehr, daß die
Yankees gute Kämpfer waren und endlich auch gute Heerführer hatten. Grant war
ein Mann, der nicht danach fragte, wieviel Männer ein Sieg kostete. Er wollte
nichts als den Sieg. Sheridan war ein Name, der den Südstaaten Furcht
einflößte. Immer öfter aber wurde ein Mann namens Sherman genannt. Er hatte
sich in den Feldzügen in Tennessee und im Westen einen Namen gemacht und galt
als einer der entschlossensten, unbarmherzigsten Heerführer. Selbstverständlich
aber kam keiner von ihnen dem General Lee gleich. Der Glaube an ihn und die
Armee war immer noch stark, das Vertrauen auf den Endsieg wankte immer noch
nicht. Aber, wie lange schleppte der Krieg sich nun schon hin!
Verschlimmert
wurde die Lage noch durch ein wachsendes Mißtrauen gegen die hohen Stellen, das
sich bei der Zivilbevölkerung einschlich. Viele Zeitungen machten aus ihren
Anklagen gegen den Präsidenten Davis selbst und die Art, wie er den Krieg
führte, kein Hehl. Im Kabinett gab es Zwistigkeiten zwischen Davis und seinen
Generalen. Die Valuta fiel immer mehr. Es fehlte an Schuhen und Bekleidung für
das Heer, Artilleriemunition und Arzneimittel gab es so gut wie gar nicht mehr.
Die Eisenbahnen bedurften dringend neuer Wagen und neuer Schienen zum Ersatz
für die von den Yankees zerstörten. Die Generäle an der Front riefen nach
frischen Truppen. Ersatztransporte aber trafen immer seltener ein. Das
schlimmste war, daß die Gouverneure einiger Staaten, darunter Gouverneur Brown
von Georgia, sich weigerten, den Landsturm über ihre Grenzen zu schicken.
Tausende
von felddienstfähigen Leuten, die das Frontheer dringend nötig hatte, standen
im Dienst, aber die Heeresleitung forderte sie vergeblich an.
Mit dem
neuen Fallen der Valuta sprangen die Preise abermals in die Höhe. Fleisch und
Butter kosteten fünfunddreißig Dollar das Pfund, Mehl vierzehnhundert Dollar
der Zentner, Soda hundert Dollar das Pfund, Tee fünfhundert Dollar. Warme
Stoffe, soweit sie überhaupt zu haben waren, stiegen zu so unerschwinglichen
Preisen, daß die Damen in Atlanta ihre alten Kleider mit Flicken ausbesserten
und mit Zeitungspapier fütterten, damit sie besser warm hielten. Schuhe
kosteten zwischen zweihundert und achthundert Dollar das Paar, je nachdem, ob
sie aus »Karton-Ersatzleder« oder echtem Leder waren. Damen trugen jetzt
Halbschuhe, die sie sich aus alten Wollschals und Teppichstücken anfertigen
ließen. Die Sohlen waren aus Holz.
Der Norden
hielt den Süden tatsächlich in einem regelrechten Belagerungszustand, den viele
immer noch nicht begriffen. Die Kanonenboote der Yankees hatten das Netz um die
Häfen immer enger gezogen, und es gelang nur noch den allerwenigsten Schiffen,
durch die Blockade zu schlüpfen.
Der Süden
hatte immer vom Verkauf seiner Baumwolle gelebt und alles, was er nicht selbst
produzierte, von außen bezogen, aber jetzt konnte er weder kaufen noch
verkaufen. Gerald O'Hara hatte auf Tara die Ernte dreier Jahre in den Schuppen
liegen. In Liverpool hätten seine Bestände ihm hundertfünfzigtausend Dollar
gebracht, aber es bestand nicht die geringste Hoffnung, sie
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