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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Gliedmaßen hatte, dem nicht ein Auge
oder eine Hand fehlte, und der nicht bleich vor Schmerzen und gelb von der
Malaria aussah, sondern gut genährt und gesund. Und er war auch so
ausgezeichnet angezogen. Rock und Hose waren aus demselben Stoff und
schlotterten ihm nicht um den Leib, saßen auch nicht so stramm, daß sie seine
Bewegungen hinderten, sondern paßten ihm untadelig. Sie waren neu und nicht
zerlumpt, und kein schmutziges, nacktes Fleisch, keine behaarten Beine schauten
daraus hervor. Er sah aus, als habe er auf der Welt keine Sorgen, und das
allein war schon höchst auffallend in jenen Tagen, da man nur ruhelose,
sorgenvolle, bittere und leiderfüllte Mienen gewahrte. Sein braunes Gesicht war
freundlich, die frauenhaft feingeschnittenen roten Lippen, auf denen die
Sinnenfreude geschrieben stand, lächelten ihr zu, als er sie in den Wagen hob.
Die Muskeln seines schweren Körpers strafften sich unter dem eleganten Anzug,
und wie immer empfand sie seine kraftvolle Körperlichkeit wie einen
elektrischen Schlag. Dies nahm sie so gefangen, daß sie zusammenschrak. Sein
Körper machte denselben zähen und festen Eindruck wie sein scharfer Geist. In
seiner Kraft war so viel mühelose Anmut verborgen wie bei einem Panther, der
sich träge in der Sonne reckt, bevor er behende aufspringt und zupackt.
    »Sie
kleine Schwindlerin«, sagte er und schnalzte dem Pferde. »Sie vertanzen die
Nacht mit den Soldaten und schenken ihnen Rosen und Bänder und machen ihnen
weis, Sie wären bereit, für unsere heilige Sache zu sterben, und wenn Sie ein
paar Wunden verbinden und ein paar Läuse absuchen sollen, machen Sie sich aus
dem Staube.«
    »Können
Sie nicht von etwas anderem sprechen und schneller fahren? Sonst habe ich am
Ende das Glück, daß Großpapa Merriwether gerade aus seinem Kaufhaus kommt und
mich sieht und es der alten Dame zuträgt.«
    Er
streifte die Stute mit der Peitsche, und in raschem Trabe ging es über Five
Points und die Schienen hinaus, die die Stadt mitten durchschnitten. Ein Zug
mit Verwundeten war soeben eingefahren, und die Träger mit den Bahren
arbeiteten emsig in der heißen Sonne. Scarlett empfand keine Gewissensbisse,
als sie dies sah, sondern atmete nur tief und erleichtert auf.
    »Ich bin
dieses verwünschten Lazaretts so müde und so elend«, seufzte sie, während sie
den sich bauschenden Rock glättete und sich den Hut unter dem Kinn fester band.
»Und täglich kommen neue Verwundete herein. Daran ist nur General Johnston
schuld. Hätte er den Yankees bei Dalton standgehalten ... «
    »Aber er
hat ihnen doch standgehalten, Sie ahnungsloses Kind! Wäre er dort
stehengeblieben, so hätte Sherman ihn umflügelt und zwischen den beiden Flanken
seines Heeres zerdrückt.  Dann wäre die Eisenbahn verlorengegangen, und gerade
um die Eisenbahn kämpft er ja!«
    »Schon
gut«, sagte Scarlett, die von keinerlei Strategie eine Ahnung hatte, »aber er
hätte doch irgend etwas dagegen tun müssen. Man sollte ihm den Abschied geben!
Warum stellt er sich nicht und kämpft, anstatt sich zurückzuziehen?«
    »Sie sind
wie all die anderen und schreien: >Kreuzigt ihn<, weil er nicht das
Unmögliche fertigbringt. Bei Dalton war er der wahre Heiland, und bei Kennesaw
Mountain ist er nun auf einmal der Verräter Judas, und das alles innerhalb von
sechs Wochen. Lassen Sie ihn die Yankees jetzt zwanzig Meilen zurückwerfen,
flugs ist er wieder der Heiland. Mein Kind, Sherman hat doppelt soviel Leute
wie Johnston. Er kann es sich leisten, gegen jeden unserer tapferen Burschen
zwei zu verlieren. Johnston aber kann keinen einzigen entbehren. Er braucht
Verstärkungen, und was bekommt er? >Joe Browns Schoßkindern<.«
    »Muß der
Landsturm wirklich an die Front? Und die Landwehr auch? Woher wissen Sie das?«
    »Das
Gerücht geht um. Sie sollen hinaus, um Joe zu verstärken. Ja, nun werden wohl
Gouverneur Browns Lieblinge endlich Pulver riechen, und ich kann mir denken,
wie das den meisten bekommt. Sie hielten sich für so sicher, nachdem der
Gouverneur sich sogar Jeff Davis gegenüber geweigert hat, sie nach Virginia zu
schicken, weil sie für die Verteidigung ihres eigenen Staates unentbehrlich
seien. Wer hätte das je gedacht, daß der Krieg bis an ihre eigenen Häuser
vordringen könnte und sie tatsächlich ihren Staat Georgia verteidigen müßten!«
    »Wie
können Sie darüber lachen. Denken Sie an die alten Herren und die kleinen
Jungens, an den kleinen Phil Meade, Großpapa Merriwether und Onkel

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