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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Emmie, hat sich damit hingelegt, Miß
Slattery kam hierher zu Miß Ellen, als brannte ihr der Boden unter den Füßen,
wie sie immer tut, wenn etwas los ist. Warum konnte sie ihr eigenes Fleisch und
Blut nicht selber pflegen, aber Miß Ellen ging und pflegte sie. Miß Ellen war
selber schon gar nicht wohl, Miß Scarlett, wir hatten nicht mehr genug zu
essen, und ich habe ihr immer wieder gesagt, sie sollte das weiße Gesindel in
Ruhe lassen, aber sie hörte nicht darauf, und als Emmie soweit war, und es
sollte ihr besser gehen, legte sich Miß Carreen. Ja, Miß Scarlett, der Typhus
kam zum Fenster hereingeflogen und erwischte Miß Carreen. Dann legte sich Miß
Suellen, und da mußte Miß Ellen die beiden auch pflegen und bei alledem noch
der Kampf die Straße auf und ab und die Yankees, die über den Fluß wollten, und
wir wußten gar nicht, was nun geschehen sollte, und dann die Feldnigger, die
jede Nacht wegliefen, da hätte ich bald den Verstand verloren, aber Miß Ellen
blieb ganz ruhig, nur um die jungen Misses hat sie so Angst gehabt, schrecklich
viel, daß sie aussah wie ein Geist, und gar nichts und keine Arznei konnten wir
kriegen, und dann abends, als wir die jungen Misses zehnmal abgespült hatten,
sagte sie mir, Mammy, könnte ich meine Seele verkaufen, ich täte es für ein
bißchen Eis, das ich den Kindern auf den Kopf legen kann. Und Master Gerald
durfte nicht hereinkommen, auch Rosa und Teena nicht, nur ich, weil ich schon
Typhus gehabt habe, und dann ... und dann kriegte sie es selber, Miß Scarlett.
Ich sah gleich, daß nichts mehr zu machen war.«
    Mammy
richtete sich in die Höhe, führte die Schürze an die Augen und trocknete die
strömenden Tränen.
    »Es ging
sehr schnell mir ihr, Miß Scarlett. Auch der gute Yankeedoktor konnte ihr nicht
mehr helfen, sie wußte von gar nichts. Ich habe sie immer angerufen und zu ihr
gesprochen, aber sie kannte nicht einmal ihre alte Mammy mehr.«
    »Hat sie
wohl auch einmal ... nach mir gerufen?«
    »Nein, Liebling,
sie dachte, sie ist wieder ein kleines Mädchen in Savannah, sie hat niemand bei
Namen gerufen.«
    Jetzt
regte sich Dilcey, legte das schlafende Kleine auf ihren Schoß und sagte:
»Doch, sie hat jemand gerufen.«
    »Halt den
Mund, du Indianernigger«, wandte sich Mammy drohend gegen Dilcey.
    »Sei
still, Mammy. Wen hat sie gerufen, Dilcey? Pa?«
    »Nein,
Miß. Nicht Pa. Es war in der Nacht, wo die Baumwolle brannte ... «
    »Die
Baumwolle brannte?«
    »Ja, Miß,
brannte. Die Soldaten haben sie aus dem Schuppen in den Garten gewälzt und
gerufen: >Das größte Freudenfeuer in Georgia< und sie angesteckt.«
    Die
Baumwolle von drei Jahren - hundertfünfzigtausend Dollar, ein Freudenfeuer!
    »Und das
Feuer leuchtete so, daß es überall hell wie der Tag war, wir waren bange, das
Haus wird aufbrennen, und hier in der Stube war es so hell, daß man eine Nadel
am Fußboden suchen konnte. Da, als das Feuer ins Fenster schien, wachte Miß
Ellen davon auf, sie setzte sich aufrecht im Bett und rief ganz laut, immer
wieder: >Philippe, Philippe!< Solchen Namen habe ich nie gehört, aber ein
Name war es, und sie hat ihn gerufen.«
    Mammy
stand wie eine steinerne Bildsäule und starrte Dilcey an. Scarlett ließ den
Kopf in die Hände sinken. »Philippe, wer war das? Und was war er für Mutter
gewesen, daß sie ihn sterbend beim Namen rief?«
     
    So hatte
nun der lange Weg von Atlanta nach Tara sein Ende erreicht und hatte sich an
einer leeren Mauer totgelaufen - der Weg, der in Ellens Armen hatte enden
sollen. Nie wieder konnte Scarlett sich wie ein Kind sicher unter des Vaters
Dach schlafen legen und sich in die schirmende Liebe ihrer Mutter einhüllen wie
in ein weiches Federbett. Jetzt gab es keine Sicherheit mehr und keinen Hafen,
in den sie steuern konnte. Niemand war da, auf dessen Schultern sie ihre Last
absetzen konnte. Der Vater war alt und stumpf, die Schwestern waren krank, die
Kinder hilflos, Melanie zart und schwach, und die Neger blickten in kindlichem
Vertrauen zu ihr auf und erwarteten, bei Ellens Tochter die Zuflucht zu finden,
die Ellen ihnen stets gewesen war.
    Vor dem
Fenster lag Tara im blassen Licht des aufgehenden Mondes vor ihr, ohne Neger,
mit verwüsteten Feldern und zerstörten Scheunen, wie ein Körper, der unter
ihren Augen verblutete, gleichsam ihr eigener, langsam dahinwelkender Körper.
Dies war das Ende ihrer Reise: ein zitternder Greis, Krankheit, hungrige
Mäuler, hilflose Hände, die sich nach ihr ausstreckten. Am Ende des

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