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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Scarletts Adern floß, wogten still durch
das mondhelle Zimmer. Alle hatten sie das Ärgste, was das Schicksal über sie
verhängte, auf sich genommen und das Beste daraus geschmiedet. Und Scarlett
erkannte: Tara war ihr Schicksal, ihr Kampf, Tara mußte sie erobern. Waren all
diese Gestalten, die ihr wortlos Mut zuflüsterten, Wirklichkeit, oder träumte
sie nur?
    »Ob ihr
seid oder nicht«, murmelte sie im Einschlummern, »gute Nacht ... und habt
Dank.«
     
    25
     
    Am
nächsten Morgen war Scarletts Körper so steif und wund, daß jede Bewegung ihr
zur Qual wurde. Ihr Gesicht war vom Sonnenbrand entzündet, Blasen bedeckten die
Handflächen. Ihre Zunge war rauh, der Hals ausgedörrt, als hätten Flammen ihn
versengt, und kein Wasser der Welt konnte ihren Durst löschen. Sie hatte das
Gefühl, ihr Kopf sei riesengroß angeschwollen, und sie wand sich vor Schmerz,
wenn sie nur die Augen ein wenig drehte. Eine Übelkeit, die sie an die erste
Zeit ihrer Schwangerschaft erinnerte, verleidete ihr die dampfenden Bataten auf
dem Frühstückstisch. Gerald hätte ihr sagen können, ihr Zustand sei nichts
anderes als die Nachwirkung ihres ersten Versuchs im Trinken. Aber Gerald
bemerkte nichts. Er saß am oberen Ende des Tisches, ein alter grauer Mann, der
mit geistesabwesenden erloschenen Augen unverwandt nach der Tür blickte und den
Kopf ein wenig auf die Seite legte, als wolle er Ellens Röcke rascheln hören.
    Als
Scarlett sich setzte, murmelte er: »Wir wollen auf Mrs. O'Hara warten. Sie hat
sich verspätet.« Scarlett hob den schmerzenden Kopf und begegnete Mammys
flehenden Blicken. Schwankend erhob sie sich, die Hand an der Kehle, und
blickte im Morgensonnenschein auf ihren Vater herab. Sein Kopf und seine Hände
zitterten.
    Bis zu
diesem Augenblick war es ihr nicht klargeworden, wie es mit ihrem Vater stand.
Sie wollte etwas sagen, aber sie sah, wie Mammy gewaltsam mit dem Kopf
schüttelte und die Schürze an die rotgeweinten Augen führte.
    Scarlett
ging aus dem Eßzimmer, ohne etwas zu sich genommen zu haben, vor die Hintertür,
wo sie Pork barfuß und in den zerlumpten Resten seiner besten Livree auf den
Stufen hocken und Erdnüsse kauen sah. Es hämmerte und wuchtete ihr im Kopf, das
helle Sonnenlicht schmerzte ihr in den Augen. Nur sich aufrecht halten!
    Sie sprach
so kurz wie möglich und verzichtete auf jegliche Höflichkeitsformel, die ihre
Mutter sie gelehrt hatte den Negern gegenüber zu gebrauchen. Sie stellte so
schroffe Fragen und gab so kurzangebundene Befehle, daß Pork vor Verwunderung
die Augen aufriß. Derart kurz hatte Miß Ellen niemals mit jemandem gesprochen,
selbst nicht, wenn sie einen dabei überraschte, daß er Hühner oder
Wassermelonen stahl. Scarlett fragte nach den Feldern und Gärten und nach dem
Vieh, und ihre grünen Augen hatten einen so harten metallischen Glanz, wie Pork
nie zuvor darin erblickt hatte.
    »Ja, Miß,
das Pferd ist tot. Es liegt da, wo ich es angebunden hatte, mit der Nase in dem
Wassereimer, den es umgestoßen hatte. Nein, Miß, die Kuh ist nicht tot. Wissen
Sie denn nicht? Sie hat heute nacht gekalbt, darum hat sie so gebrüllt.«
    »Eine
schöne Hebamme kann deine Prissy noch einmal werden«, bemerkte Scarlett scharf.
»Sie meinte, die Kuh brüllte, weil sie gemolken werden müsse.«
    »Aber Miß,
Prissy will doch nicht bei Kühen Hebamme sein«, erwiderte Pork taktvoll. »Mit
einem Segen soll man nicht hadern. Das Kalb bedeutet viel Milch, und
Buttermilch für die jungen Misses, die der Yankeedoktor ihnen verordnet hat.«
    »Gut,
weiter. Ist noch anderes Vieh da?«
    »Nein,
Miß, nur die alte Sau und ihr Wurf. Ich habe sie in das Sumpfland getrieben,
als die Yankees kamen, und weiß der Himmel, wie wir sie wiederkriegen sollen,
die Sau.«
    »Wir
kriegen sie schon. Du kannst jetzt gleich mit Prissy hinuntergehen und sie
holen.«
    Pork
zeigte sich höchst verwundert und entrüstet.
    »Miß
Scarlett, das ist Arbeit für Feidnigger, ich bin immer ein Hausneger gewesen.«
    In
Scarletts Augen glomm ein scharfer Funke auf. »Ihr beiden holt die Sau - oder
ihr geht weg, wie die Feldnigger!«
    In Porks
entzündeten Augen erschien etwas wie eine Träne. Ach, wäre doch Miß Ellen da!
Die hatte ein Gefühl dafür, was für Abgründe zwischen den Pflichten eines
Feldniggers und den Obliegenheiten eines Hausnegers klafften.
    »Weggehen,
Miß Scarlett, wo soll ich denn hingehen, Miß Scarlett?«
    »Das ist
mir einerlei. Wer jetzt in Tara nicht arbeiten will, kann zu den

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