Margaret Mitchell
Melanie endlich, »was ist der
Süden ohne alle unsere lieben Jungens. Was wäre er, wenn sie noch lebten! Wie
gut könnten wir ihren Mut, Ihre Tatkraft, ihren Verstand gebrauchen! Scarlett,
wir alle, die wir kleine Jungens haben, müssen sie dazu erziehen, daß sie
tapfere Männer werden wie sie.«
»Solche
Männer wie sie gibt es nie wieder«, sagte Carreen leise. »Niemand kann an ihre
Stelle treten.« Schweigend fuhren sie nach Hause.
Bald
darauf kam Cathleen Calvert eines Tages bei Sonnenuntergang angeritten. Ihr
Damensattel war dem elendesten Maultier aufgeschnallt, das Scarlett je gesehen
hatte, und fast ebenso jämmerlich sah Cathleen selber aus. Sie trug ein
verwaschenes baumwollenes Kleid, wie es früher nur Dienstboten getragen hatten,
und ihr breitrandiger Hut war unter dem Kinn mit einem Bindfaden festgebunden.
Sie kam vor die Veranda geritten und stieg nicht ab. Scarlett und Melanie
gingen die Stufen zu ihr hinunter. Cathleen war so schneeweiß wie Cade an dem
Tage, da Scarlett zu Besuch kam, hart und spröde, als müsse ihr das Gesicht
zerspringen, sobald sie nur den Mund auftat. Aber sie saß aufrecht und
erhobenen Hauptes im Sattel und nickte ihnen zu.
Plötzlich
fiel Scarlett der Tag ein, da Cathleen und sie auf dem Gartenfest bei Wilkes
miteinander über Rhett Butler getuschelt hatten. Wie hübsch und frisch hatte
Cathleen damals in ihrem blauen Organdykleid ausgesehen, mit den duftenden
Rosen am Gürtel und den kleinen schwarzen Samtschuhen, die um die zierlichen
Fußgelenke verschnürt waren! In der steifen Gestalt auf dem Maultier war keine
Spur mehr von dem Mädchen von damals zu erkennen.
»Ich komme
nicht erst hinein, danke«, sagte sie. »Ich wollte euch nur erzählen, daß ich
heirate.«
»Was! Wen?
Cathy, wann!«
»Morgen«,
sagte Cathleen in einem so starren Ton, daß den beiden ihr neugieriges Lächeln
verging. »Ich wollte euch nur sagen, daß ich morgen in Jonesboro heirate ...
und euch nicht dazu einlade.«
Sie
schluckten und sahen sich eine Weile schweigend an.
Dann
sprach Melly zuerst. »Jemand, den wir kennen?«
»Ja«,
sagte Cathleen. »Mr. Hilton.«
»Mr.
Hilton?«
»Ja, Mr.
Hilton, unseren Sklavenaufseher.«
Scarlett
brachte nicht einmal ein »Ach« hervor, aber Cathleen sah plötzlich Melanie
scharf an und sagte leise und wild: »Melly, wenn du weinst, halte ich es nicht
aus, dann sterbe ich!«
Melanie
erwiderte nichts, sondern streichelte nur den Fuß, der von einem groben
selbstgemachten Schuh umschlossen im Steigbügel herabhing, und senkte den Kopf.
»Und laß
das Streicheln, das halte ich auch nicht aus.«
Melanie
zog die Hand zurück, blickte aber immer noch nicht auf.
»So, nun
muß ich weiter, ich hatte es euch nur sagen wollen.«
Die spröde
schneeweiße Maske lag wieder auf Cathleens Gesicht, sie faßte die Zügel.
»Wie geht
es Cade?« fragte Scarlett und wußte nicht, was sie tun sollte, um die
schreckliche Stille zu unterbrechen.
»Er liegt
im Sterben«, sagte Cathleen kurz und völlig fühllos. »Was an mir liegt, soll
geschehen, damit er sterben kann, ohne sich über unsere Zukunft Sorgen zu
machen. Meine Stiefmutter und die Kinder fahren morgen endgültig in den Norden.
Nun muß ich aber weiter.«
Melanie
blickte in Cathleens harte Augen hinauf, an ihren eigenen Wimpern hingen helle
Tränen des Verständnisses. Da verzog sich Cathleens Mund zu dem schiefen
Lächeln eines Kindes, das tapfer sein und nicht weinen möchte. Scarlett
versuchte immer noch vergeblich, das Unfaßliche zu fassen. Cathleen beugte sich
herab, und Melly erhob sich auf die Zehenspitzen, und sie küßten einander. Dann
schlug Cathleen das alte Maultier scharf mit den Zügeln. Es trabte davon.
Melanie
blickte ihr nach, und die Tränen liefen ihr über die Wangen. Scarlett starrte
noch immer ganz versteinert hinter ihr her. »Melly, ist sie verrückt? Sie kann
ihn doch unmöglich lieben!«
»Lieben?
Aber Scarlett, wie kannst du etwas so Abscheuliches nur denken! Ach, arme
Cathleen! Armer Cade!«
Plötzlich
wurde Scarlett ungeduldig und ärgerte sich, daß Melanie von menschlichen
Beziehungen immer ein weniges mehr begriff als sie, Cathleens traurige Lage kam
ihr wohl ungewöhnlich, aber nicht verhängnisvoll vor. Natürlich war es kein
angenehmer Gedanke, einen Yankee und Angestellten zu heiraten, aber schließlich
konnte doch ein Mädchen nicht allein auf einer Plantage leben. Sie brauchte
einen Mann, der ihr half.
»Melly,
ich sagte es ja schon neulich, es gibt
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