Margaret Mitchell
nicht
schreiben sehen und weinen sehen, wenn Sie ihr alle immer und immer
zurückgeschrieben haben, Sie haben zuviel hier in der alten Farm zu tun und
können nicht nach Hause kommen?«
»Aber,
Onkel Peter ... «
»Wie
können Sie nur die arme Miß Pitty so ganz mutterseelenallein lassen, wenn sie
doch so sehr schrecklich bange ist? Sie wissen doch auch, ebensogut wie ich,
daß Miß Pitty noch nie für sich allein gewohnt hat, und sie hat in ihren
kleinen Schuhen vor Angst furchtbar gezittert, die ganze Zeit, nachdem sie aus
Macon zurück ist. Sie hat mir gesagt, ich soll es Ihnen allen Misses ganz offen
sagen, was ich auch weiß, daß sie nicht begreifen kann, wie Sie sie in der
Stunde der Not im Stich lassen können.«
»Nun sei
aber still!« fuhr ihm Mammy böse über den Mund. Daß jemand Tara »eine alte
Farm« nannte, konnte sie nicht gut auf sich sitzen lassen. Das brachte nur ein
ungebildeter Schwarzer fertig, der in der Stadt aufgewachsen war und den
Unterschied zwischen einer Farm und einer Plantage nicht kannte. »Haben wir
vielleicht nicht Stunden der Not gehabt?« schalt sie. »Wir brauchen Miß
Scarlett und Miß Melanie dringend hier bei uns. Wie kommt es, daß Miß Pitty
nicht ihren Bruder zu Hilfe ruft, wenn sie Hilfe brauchte?«
Onkel
Peter gönnte ihr einen vernichtenden Blick.
»Master
Henry hat seit Jahren nichts mehr mit uns zu schaffen gehabt und ist nun zu
alt, um damit anzufangen.« Er wandte sich wieder den Mädchen zu, die sich mit
Mühe das Lachen verbissen. »Ihr jungen Misses solltet euch furchtbar schämen,
daß ihr die arme alte Miß Pitty allein laßt, wo doch die Hälfte von ihren
Freunden tot ist und die andere Hälfte in Macon ist, und in Atlanta ist alles
voll von Yankees und freien Niggern.«
Die
Mädchen hatten die Strafrede mit einiger Beherrschung über sich ergehen lassen.
Aber der Gedanke, daß Tante Pitty Peter hergeschickt hatte, um sie
auszuschelten und leibhaftig nach Atlanta zurückzuschleppen, brachte sie
schließlich doch aus der Fassung. Sie platzten vor Lachen und lehnten sich
aneinander, um sich zu stützen. Natürlich machten sich auch Pork, Dilcey und
Mammy in schallendem Gelächter Luft, als sie den Beschimpfer ihres geliebten
Tara kaltgestellt sahen. Sogar über Geralds Gesicht huschte ein unbestimmtes
Lächeln. Nur Onkel Peter, der abgestiegen war, trat mit wachsender Entrüstung
von einem seiner Plattfüße auf den anderen.
»Was ist
denn mit dir los, Nigger?« erkundigte sich Mammy kreischend. »Wirst wohl selber
nun zu alt, um deine Herrin zu beschützen?«
Peter
raste. »Zu alt? Onkel Peter zu alt? Nein, Ma'am! Ich habe Miß Pitty immer
beschützt und kann es auch heute noch. Habe ich sie nicht ganz heil nach Macon
gebracht, als wir geflohen sind? Habe ich sie nicht beschützt, als die Yankees
kamen und sie so bange war, daß sie nur immer wieder in eine neue Ohnmacht
fiel? Und habe ich nicht diesen Gaul besorgt, um sie nach Atlanta
zurückzubringen, und bin mit ihr und all ihrem Silber heil angekommen?« Peter
reckte sich zu seiner vollen würdigen Höhe empor. »Ich rede nicht von
Beschützen. Ich rede nur davon, wie das aussieht.«
»Wie was
aussieht?«
»Ich rede
davon, wie das vor den Leuten aussieht, wenn Miß Pitty so allein lebt. Die
Leute reden schlecht von unverheirateten Damen, die allein leben«, fuhr Peter
fort, und seine Zuhörer sahen deutlich, wie in seinen Augen Pittypat immer noch
das rundliche niedliche Kleine Fräulein von sechzehn Jahren war, die er vor den
bösen Zungen beschützen mußte. »Und ich kann es nicht haben, wenn die Leute
über Miß Pitty herziehen. Und ich will es nicht haben, daß sie fremde Leute ins
Haus nimmt, nur wegen der Gesellschaft, das habe ich ihr auch gesagt. >Nein,
solange Sie Ihr eigen Fleisch und Blut haben, das zu Ihnen gehört<, habe ich
ihr gesagt, und nun will ihr eigen Fleisch und Blut nichts von ihr wissen. Miß
Pitty ist doch das reine Kind ... «
Scarlett
und Melanie wußten sich vor Lachen nicht zu helfen und sanken auf die Stufen
nieder. Schließlich trocknete sich Melanie die Tränen.
»Armer
Onkel Peter! Entschuldige, daß ich gelacht habe, bitte, bitte verzeih mir. Miß
Scarlett und ich können gerade jetzt nicht nach Hause kommen. Vielleicht komme
ich im September, wenn die Baumwolle gepflückt ist. Hat Tantchen dich den
ganzen weiten Weg hierhergeschickt, damit du uns auf dem Knochengestell da nach
Hause bringst?«
Bei dieser
Frage klappte Peters Mund vor Verblüffung auf, und
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