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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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»Aber das ist ja Emmie Slattery!« Sie
war so überrascht, daß sie es laut sagte.
    »Ja, Miß
O'Hara, ich bin es.« Emmie warf mit verbindlichem Lächeln den Kopf zurück und
wollte die Stufen hinaufsteigen.
    Emmie
Slattery! Die schmutzige flachshaarige Schlampe, deren uneheliches Kind Ellen
getauft hatte. Emmie Slattery, bei der Ellen sich den Typhus und den Tod geholt
hatte. Dieses aufgedonnerte, gemeine, heimtückische Gesindel kam die Stufen von
Tara herauf, trug die Nase hoch und grinste, als sei es hier zu Hause. Scarlett
dachte an Ellen, und eine mörderische Wut brach in ihr leeres Gemüt ein, so
gewaltsam, daß sie erschauerte wie in einem Schüttelfrost.
    »Hinunter
von der Treppe, du gemeines Frauenzimmer!« schrie sie sie an. »Mach, daß du von
hier fortkommst! Hinaus mit dir!«
    Emmie ließ
plötzlich den Unterkiefer hängen und blickte zu Jonas, der ihr mit
zusammengezogenen Brauen nachkam. Er gab sich Mühe, trotz seinem Zorn die Würde
zu wahren.
    »So dürfen
Sie nicht mit meiner Frau sprechen«, sagte er.
    »Frau?«
Scarlett brach in ein schneidendes, höhnisches Gelächter aus. »War auch höchste
Zeit, daß Sie sie zur Frau nahmen! Wer hat denn Ihre Bälger getauft, nachdem
Sie meine Mutter umgebracht haben?«
    Emmie
kreischte: »Oh!« und lief rasch die Stufen wieder hinunter. Aber Jonas hielt
sie am Arm fest, als sie sich in den Wagen zurückziehen wollte. »Wir sind
hergekommen, um Ihnen einen Besuch zu machen, einen freundschaftlichen Besuch«,
knurrte er, »und um etwas Geschäftliches als alte Freunde mit Ihnen zu
besprechen.«
    »Freunde?«
Es kam wie ein Peitschenhieb. »Wann wären wir mit euresgleichen je befreundet
gewesen! Slatterys haben ihr Leben von unserer Wohltätigkeit gefristet und es
damit vergolten, daß sie Mutter umgebracht haben. Und Sie ... Sie hat Pa wegen
Emmies Balg entlassen, das wissen Sie ganz genau. Freunde? Scheren Sie sich
fort, ehe ich Mr. Benteen und Mr. Wilkes rufe!«
    Bei diesen
Worten riß Emmie sich von ihrem Manne los und flüchtete in den Wagen. Beim
Einsteigen zeigten sich für einen Augenblick ein Paar Lackstiefel mit
knallroten Rändern und roten Quasten.
    Jetzt
bebte Jonas ebenso vor Wut wie Scarlett. Sein fahles Gesicht lief rot an wie
bei einem wütenden Truthahn.
    »Noch
immer auf dem hohen Roß, was? Nun, ich weiß Bescheid über Sie. Ich weiß, daß
Sie keine Schuhe mehr an den Füßen haben und daß Ihr Vater schwachsinnig ist
und ...«
    »Macht,
daß ihr fortkommt!«
    »Oh, in
dem Ton geht es nicht mehr lange. Sie sind ja bankrott und können nicht einmal
Ihre Steuern bezahlen. Ich wollte Ihnen anbieten, das Gut zu kaufen, wollte
Ihnen ein rechtschaffenes Angebot machen. Emmie will ja durchaus hier wohnen.
Aber, bei Gott, jetzt gebe ich Ihnen keinen Cent! Ihr hochnäsigen irischen
Sumpfbauern werdet schon merken, wer hier zu sagen hat, wenn es erst wegen der
Steuern zur Zwangsversteigerung kommt. Dann werde ich dieses Gut erwerben mit
allem Drum und Dran, und ich werde hier wohnen!«
    Also Jonas
Wilkerson war es, der Tara haben wollte! Jonas und Emmie. Scarletts sämtliche
Nerven erzitterten vor Haß, wie damals, als sie den Pistolenlauf mitten in das
bärtige Yankeegesicht richtete und abfeuerte. Hätte sie doch jetzt eine
Pistole!
    »Ich reiße
das Haus nieder, Stein für Stein, und stecke es in Brand und bestreue jeden
Morgen Landes mit Salz, ehe ich einen von euch den Fuß über die Schwelle setzen
lasse«, schrie sie. »Schert euch fort, sage ich. Hinaus mit euch!«
    Jonas
starrte sie an, wollte noch etwas entgegnen, besann sich aber und ging an den
Wagen. Er stieg zu seiner wimmernden Frau und wendete. Als sie abfuhren, trieb
es Scarlett, ihnen nachzuspucken, und sie tat es. Es war wohl kindisch und
gemein, aber es war ihr wohler danach. Sie hätte es nur tun sollen, als das
Gesindel es noch sehen konnte.
    Diese
verdammten Negerfreunde wagten es, herzukommen und sie wegen ihrer Armut zu
verhöhnen! Der Hund hatte bestimmt nicht die Absicht gehabt, ihr überhaupt
einen Preis für Tara zu bieten. Das war nur ein Vorwand gewesen, um herzukommen
und mit seinem Geld und seiner Emmie sich aufzuspielen. Dieses schmutzige,
gesinnungslose Pack prahlte damit, daß es auf Tara wohnen wollte!
    Plötzlich
schrak sie zusammen, und die Wut verging ihr in einem kalten Meer des
Entsetzens. Heiliger Strohsack! Die wollen hier wohnen! Aber was konnte sie
denn dagegen tun, wenn diese Leute anfingen, Tara durch Pfändungen stückweise
zu rauben? Jeden

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