Margaret Mitchell
rötlicher Bart war spärlicher als je, von
Tabaksaft beschmutzt und so ausgefranst, als kratzte er sich ständig darin.
Aber er war guter Dinge und machte einen anderen Eindruck als die kummervollen,
müden Gesichter, die Scarlett sonst überall fand.
»Ich freue
mich, Sie zu sehen«, sagte er herzlich. »Ich wußte nicht, daß Sie in der Stadt
seien. Miß Pittypat habe ich erst vorige Woche gesehen, und sie hat mir nichts
davon gesagt. Ist sonst noch jemand aus Tara mitgekommen?«
Er dache
an Suellen, der alte Narr.
»Nein«,
sagte sie und wickelte sich in die warme Decke. »Ich bin allein gekommen und
habe mich bei Tante Pitty nicht angemeldet.«
Er
schnalzte dem Pferd. Es zog an und suchte sich vorsichtig seinen Weg über die
schlüpfrige Straße.
»Alles
wohl auf Tara?«
Sie mußte
sich etwas ausdenken, worüber sie sich mit ihm unterhalten konnte, aber das
Sprechen wurde ihr so schwer. Nach der Niederlage war ihr Gemüt wie Blei, und
sie verlangte nichts anderes, als sich in die warme Decke zu hüllen und nicht
an Tara zu denken. Könnte sie ihn doch nur dazu bringen, über irgend etwas zu
reden, das ihn die ganze Fahrt nach Hause beschäftigte, damit sie nur von Zeit
zu Zeit »wie nett« und »Sie sind aber tüchtig« dazwischenzumurmeln brauchte.
»Mr.
Kennedy, ist das eine Überraschung, Sie zu sehen. Ich weiß, es ist schlecht von
mir, daß ich mich so lange nicht um meine alten Freunde bekümmert habe, aber
ich wußte nicht, daß Sie hier in Atlanta sind. Ich meine doch, mir hat jemand
erzählt, Sie seien in Marietta.«
»Ich habe
in Marietta zu tun, eine ganze Menge«, sagte er. »Hat Miß Suellen Ihnen nicht
erzählt, daß ich mich in Atlanta niedergelassen habe? Wissen Sie denn noch
nichts von meinem Laden?«
Sie
entsann sich, daß Suellen etwas über Frank und einen Laden geschwatzt hatte,
aber sie hatte nicht weiter darauf geachtet. Es hatte ihr genügt zu wissen, daß
Frank Kennedy noch lebte und ihr eines Tages Suellen abnehmen würde.
»Nein,
kein Wort«, log sie. »Sie haben einen Laden? Müssen Sie aber tüchtig sein!«
Ein
bißchen gekränkt sah er aus, als er hörte, Suellen habe die Neuigkeit nicht
bekanntgemacht, aber über die Schmeichelei strahlte er wieder. »Ja, ich habe
einen Laden, einen ganz guten, glaube ich. Sie sagen, ich wäre der geborene
Kaufmann.« Er lachte befriedigt sein albernes, gackerndes Lachen, das ihr immer
so auf die Nerven fiel.
Eingebildeter
alter Esel, dachte sie.
»Oh,
sicher werden Sie mit allem, was Sie anfangen, Erfolg haben, Mr. Kennedy, aber
wie in aller Welt haben Sie das angestellt? Noch Weihnachten vor einem Jahr
erzählten Sie, Sie hätten keinen Cent.«
Er
räusperte sich, kratzte sich am Bart und lachte nervös und schüchtern, wie es
seine Art war. »Nun, das ist eine lange Geschichte, Miß Scarlett. Sie erinnern
sich, als wir zuletzt auf Proviantsuche nach Tara kamen? Nun, bald darauf
meldete ich mich an die Front. Bei der Intendantur hielt ich es nicht mehr aus.
Überhaupt war sie überflüssig geworden, denn wir konnten so gut wie nichts mehr
für die Armee auftreiben, und da dachte ich, ein felddienstfähiger Mann habe
seinen Platz vorn in der Gefechtslinie. Da habe ich dann eine Zeitlang bei der
Kavallerie mitgekämpft, bis ich einen Schulterschuß bekam.«
Er sah
sehr stolz aus, und Scarlett sagte: »Wie fürchterlich!«
»Es war
nur eine Fleischwunde«, sagte er wegwerfend. »Ich wurde in ein Lazarett im
Süden geschickt, und als ich fast geheilt war, kamen die Yankees. Da ging es
heiß her! Wir waren ganz unvorbereitet und mußten alle helfen, die
Heeresvorräte und Lazarettbestände zum Abtransport an die Eisenbahn zu tragen.
Einen Zug hatten wir beinahe vollgeladen, als die Yankees zum anderen Ende der
Stadt einmarschierten. Da machten wir uns, so schnell wir konnten, davon. Ja,
das war ein trauriger Anblick, als wir da oben auf dem Zug saßen und die
Yankees die Vorräte, die wir am Bahnhof zurückgelassen hatten, in Brand
steckten. Sie haben fast eine halbe Meile von allem, was wir da aufgestapelt
hatten, abgebrannt. Wir sind nur mit dem nackten Leben davongekommen.«
»Wie
fürchterlich!«
»Ja,
fürchterlich, das ist das richtige Wort. Nun, unsere Leute waren damals wieder
in Atlanta, und auch wir wurden dahin geschickt. Dann war der Krieg bald zu
Ende, und da gab es eine Menge Porzellan, Feldbetten,
Matratzen
und Decken, die niemandem gehörten. Freilich, nach den Bestimmungen der
Kapitulation hatten die Yankees
Weitere Kostenlose Bücher