Margaret Mitchell
Anspruch darauf.«
»Mm«,
sagte Scarlett tief in Gedanken. Ihr wurde jetzt wärmer, und sie fühlte sich
schläfrig.
»Ich weiß
nicht, ob ich recht daran getan habe«, fuhr er etwas wehleidig fort. »Aber was
hätten die Yankees mit all dem Kram anfangen sollen? Sie hätten ihn
wahrscheinlich verbrannt, und nach meiner Meinung gehörte er immer noch den
Konföderierten. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Mm.«
»Ich freue
mich, daß Sie mir beistimmen, Miß Scarlett. Gewissermaßen bedrückt es mich
doch. Glauben Sie, daß ich recht gehandelt habe?«
»Selbstverständlich«,
antwortete sie und überlegte, was er wohl gesagt haben mochte. Er focht
irgendeinen Kampf mit seinem Gewissen aus. Wenn jemand so alt war wie Frank
Kennedy, sollte er doch gelernt haben, sich nicht über solche Lappalien den
Kopf zu zerbrechen. Er war immer zimperlich und altjüngferlich gewesen.
»Es freut
mich, daß Sie das sagen. Nach der Kapitulation, besaß ich etwa zehn
Silberdollar und sonst nichts auf der Welt. Sie wissen ja, wie sie in Jonesboro
in meinem Hause und in meinem Laden gewütet haben. Ich wußte nicht, was ich
anfangen sollte. Dann habe ich mit den zehn Dollar auf einen alten Laden bei
Five Points ein Dach setzen lassen, habe die Lazarettbestände dorthin gebracht
und angefangen, sie zu verkaufen. Jedermann brauchte Betten, Porzellan und
Matratzen, und ich verkaufte sie billig, weil ich mir einbildete, der Kram
gehörte den anderen Leuten ebensogut wie mir. Aber ich habe Geld damit gemacht
und mehr solchen Kram gekauft, und der Laden ging ausgezeichnet. Ich glaube,
ich kann eine ganze Menge Geld damit verdienen, wenn die Zeiten besser werden.«
Bei dem
Wort »Geld« wurde Scarlett wieder munter. »Geld haben Sie verdient?«
Ihre Anteilnahme
ließ ihn ersichtlich aufblühen. Außer Suellen hatten wenig Frauen mehr als die
oberflächlichste Höflichkeit für ihn übrig gehabt, und es schmeichelte ihm
sehr, daß eine frühere Gesellschaftskönigin wie Scarlett ihm zuhörte. Er ließ
das Pferd im Schritt gehen, um nicht eher nach Hause zu kommen, als bis er
seine Geschichte beendet hatte.
»Ein
Millionär bin ich nicht, Miß Scarlett, und im Vergleich zu meinem früheren
Vermögen klingt, was ich jetzt habe, bescheiden. Dieses Jahr habe ich tausend
Dollar verdient. Fünfhundert Dollar sind natürlich für neue Waren, Reparaturen
und Miete draufgegangen. Aber fünfhundert waren rein verdient, und da alles
besser geht, müßte ich eigentlich nächstes Jahr zweitausend verdienen, und die
kann ich gut gebrauchen. Und sehen Sie, ich habe ja noch ein Eisen im Feuer.«
Seitdem es
sich um Geld handelte, war sie ganz bei der Sache. Sie verschleierte ihre Augen
mit den langen Wimpern und rückte ihm etwas näher.
»Was
wollen Sie damit sagen, Mr. Kennedy?«
Er lachte
und schlug das Pferd mit den Zügeln. »Ich langweile Sie sicher mit meinen
geschäftlichen Gesprächen. Eine hübsche Frau wie Sie braucht von solchen Sachen
nichts zu wissen.«
Der alte
Narr! »Ach, ich weiß, in Geschäftssachen bin ich eine Gans, aber es
interessiert mich so! Bitte, erzählen Sie mir alles, und was ich nicht
verstehe, können Sie mir ja erklären.«
»Also,
mein anderes Eisen ist eine Sägemühle. Ich habe sie noch nicht gekauft, aber
ich will es tun. Jenseits der Pfirsichstraße wohnt ein Mann namens Johnson, der
seine gern verkaufen möchte. Er braucht sofort bares Geld, deshalb will er sie
verkaufen, aber dort bleiben und sie gegen Wochenlohn für mich betreiben. Es
ist eine der wenigen Mühlen in dieser Gegend. Die meisten haben die Yankees zerstört.
Und eine Sägemühle ist eine Goldgrube, denn heute kann man für Bauholz jeden
Preis bekommen. Die Leute haben nicht genug Wohnungen und bauen wie verrückt.
Sie können gar nicht schnell genug Bauholz bekommen. Alles strömt nach Atlanta,
alle die Leute vom Lande, die ohne Schwarze mit dem Ackerbau nicht mehr
weiterkommen, und die Yankeeschieber, die im trüben fischen wollen. Ich sage
Ihnen, aus Atlanta wird bald eine große Stadt. Die Leute brauchen Bauholz für
ihre Häuser, und deshalb will ich die Mühle kaufen, sobald ich wieder etwas
Bargeld habe. Nächstes Jahr um diese Zeit hoffe ich schon mehr Luft zu haben.
Und Sie werden wohl wissen, warum ich rasch zu Geld kommen will, nicht wahr?«
Er
errötete und gackerte wieder. »Er denkt an Suellen«, dachte Scarlett
angewidert. Einen Augenblick erwog sie, ob sie ihn nicht bitten sollte, ihr
dreihundert Dollar zu leihen, aber sie
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